Eines seiner Markenzeichen ist die Gran Cassa. Eine riesenhaft schöne Trommel, die sich nur zu zweit oder auf einem Räderbock verschieben lässt. Diesem Instrument entlockt Peter Conradin Zumthor an seinen Konzerten apokalyptisches Donnerkrachen, urzeitliches Sphärenrauschen oder dumpf geklopfte Takte. Im weiteren Spektrum des jungen Bündners finden sich Trommeln, Tom-Toms und ganze Beckentürme, die er auf teils unkonventionelle Weise streicht, schabt und sägt. Zudem Kleinstinstrumente, die sich auf Reisen angesammelt haben und für Spezialeffekte dienen. Aus dieser verspielten Vielfalt schöpft Zumthor klingende Rhythmen, die in bester Tradition schweizerischer Perkussionskunst stehen.
Aktuell gastiert der 34-jährige Autodidakt aber am Zürcher Schauspielhaus. In der Schiffbau-Box wirkt er im Stück «Das Leben der Bohème» mit. Zudem ist er auf Tournee mit der musikalischen Bühnenproduktion «Novecento» von Jürg Kienberger und mit der Poesieperformance «Werwolf Sutra» des ukrainischen Autors Juri Andruchowytsch.
Auf vielen Bühnen
Eigentlich aber ist Peter Conradin Zumthor Musiker. Er spielt Klänge, die sich irgendwo zwischen Jazz und Heavy Metal, Freier Improvisation und Neuer Musik einordnen lassen. Kürzlich war er auf Konzerttournee in Georgien – mit seiner Duopartnerin Vera Kappeler und dem Mondrian Ensemble. Das sei ganz in seinem Sinne gewesen: «Zuerst gabs Henry Purcell, dann kamen wir mit unseren schrägen Piano-Schlagzeug-Stücklein.»
Unkonventionelle Mischungen und überraschende Begegnungen prägen das Leben und Wirken von Peter Conradin Zumthor. Als jungbegeisterter Schlagzeuger habe er nächtelang unbekannte Musik gehört mit seinem Freund Daniel Sailer. Dieser formidable Kontrabassist taucht bis heute im Gespann mit Zumthor auf. Tagsüber habe er damals Geld verdient. «Anfang Zwanzig, als andere bereits an den Musikhochschulen studierten, habe ich im Freien körperlich gearbeitet», lacht er. Studieren war kein Thema, und als er doch mal eine Aufnahmeprüfung ans Konsi Basel machte, habe er Jüngeren den Vortritt gelassen und sei zurück nach Chur gefahren. Nach Haldenstein, um genau zu sein, wo Peter Conradin Zumthor geboren ist und bis heute lebt.
«Wegzugehen war nie ein Thema. Oder erst, als es zu spät war», sagt er und betont, dass er sich meistens zufrieden fühle. «Wenn sich etwas richtig anfühlt, kann man einiges wagen», sagt er und meint damit vieles: Dass er die Lehre als Hochbauzeichner schmiss, um Musik zu machen. Dass er mit 25 Vater geworden ist. Dass er nun auch Theater spielt.
«Das kam so», hebt Zumthor in seiner ruhigen Art an. «Eine Churer Theatergruppe suchte einen Schlagzeuger. Ich fragte den Regisseur, wer denn mitmache. Und als er Jürg Kienberger erwähnte, sagte ich sofort zu. Denn beim Kienberger wird immer gesungen, und ich singe halt gerne.» Zumthor lacht wie ein kleiner Bub: «Singen, Schlagzeug spielen und herumschauen, das ist doch schön.»
Vielfältig gefordert
An der Bühnenarbeit liebe er den Erfahrungsreichtum. «Eine Theaterproduktion ist ein ganz anderer Prozess als ein Konzert, weil dort mehrere Künste zusammenwirken.» Für ihn als Musiker bedeute dies, auch dann zu spielen, wenn er nicht spiele. «Auf der Theaterbühne erlaube ich mir Sachen, die an einem Konzert undenkbar wären.»
Etwas ganz anderes sei es, die Musik in den Dienst von Poesie zu stellen. «Beim Projekt ‹Werwolf Sutra› mit Juri Andruchowytsch sind Vera und ich musikalische Zudiener.» Die Musik müsse oft einfach klingen, was eine grosse Herausforderung sei. Nochmals ganz anders sei es mit Auftragskompositionen. «Dort ist meistens ein Thema vorgegeben», erklärt Zumthor und erwähnt als Beispiel die Engagements für das Bündner Festival Origen. 2012 und 2013 haben Vera Kappeler und er dafür Musik geschrieben. Mit grossem Echo. Die «Babylon»-Suite von 2012 hat bis nach München Wellen geschlagen und erscheint im Frühling beim dortigen Edellabel ECM Records.
Denn ja: CDs macht Peter Conradin Zumthor auch noch. Schliesslich ist er Musiker, und ein fleissiger dazu. Nebst seinem Duo mit Vera Kappeler spielt er aktuell im Drum Ensemble von Julian Sartorius und dem britischen Popsänger Merz (kulturtipp 26/13), mit Lucas Niggli und Fritz Hauser im Trio Klick und im Duo Azeotrop mit dem Organisten Dominik Blum. Im März erscheint dessen CD «Bock» mit einem Auftragswerk des Winterthurer Komponisten Felix Profos. Das ist Musik, die Zumthor selbst kaum umschreiben kann: «Komplexe Hochenergiemusik, die letztlich aber groovt.»
Pianomusik entspannt
Privat hört Zumthor übrigens seit rund 15 Jahren hauptsächlich klassische Pianomusik. Ein guter Ausgleich zu seiner eigenen Musik sei das, die so ganz anders klinge. Ausser: Wenn er, wie kürzlich in Basel, mit dem 75-köpfigen Contrapunkt-Chor spielt. «Nebst Klassik singt dieser ein Stück von Fritz Hauser», erklärt Peter Conradin Zumthor, «und bei dem spielte ich mit.» Der Klangkörper Chor ist wieder eine neue Erfahrung für den Autodidakten aus Haldenstein, der zum Glück noch lange nicht ausgelernt hat.
Peter Conradin Zumthor
Peter Conradin Zumthor ist 1979 in Haldenstein (GR) geboren. Er hat sich autodidaktisch zum Schlagzeuger ausgebildet, unter anderem durch intensive Zusammenarbeit mit Musikern wie dem Bassisten Daniel Sailer, dem Organisten Dominik Blum sowie den Schlagzeugern Fritz Hauser, Lucas Niggli oder Julian Sartorius. Heute ist er auf nationalen und internationalen Bühnen unterwegs. Nebst rein konzertanten Auftritten vertont Zumthor Literatur und spielt in musikalischen Theaterstücken. Aktuell arbeitet er eng mit dem Theatermann Jürg Kienberger, dem Komponisten Felix Profos, dem Schriftsteller Juri Andruchowytsch und der Pianistin Vera Kappeler zusammen.
CDs
Andruchowytsch’s
Werwolf Sutra
(Der Gesunde Menschenversand 2013).
Vera Kappeler / Peter Conradin Zumthor Babylon (ECM März/April 2014).
Azeotrop
Bock (Deszpot März 2014).
Theater
Das Leben der Bohème
Fr, 27.12., 20.15
Fr, 3.1., 20.15
Mo, 6.1., 20.15
So, 12.1., 19.15
Di, 14.1., 20.15
Mo, 20.1., 20.15 Schiffbau/Box Schauspielhaus Zürich
Novecento
Sa/So, 28.12./29.12., 20.30
Theater Ticino Wädenswil ZH
Di, 31.12., 18.00/21.45
Theater Ticino Wädenswil ZH
Sa, 4.1., 20.00 Theater Basel
Do/Fr, 9.1./10.1., 20.00
Postremise Chur
Di/Mi, 11.2./12.2., 20.00
Pfauen Schauspielhaus Zürich
Konzerte
Merz featuring Sartorius Drum Ensemble
Do, 30.1., 22.00 St. Gervais Biel
Fr, 31.1., 21.00 Sedel Luzern
Sa, 1.2., 16.00 Antigel Festival Genf
Duo Kappeler/Zumthor
Fr, 7.2., 20.30
Spielboden Dornbirn Österreich