«WE WANT SEX» Der Aufstand der Frauen
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Dafür gingen die Näherinnen bei Ford in England 1968 auf die <br />
Barrikaden – mit Erfolg. Nigel Cole hat aus dem Stoff einen beschwingten Film gemacht.
Inhalt
Kulturtipp 02/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
In der Näh-Halle der Autofabrik Ford im britischen Dagenham arbeiten die Frauen unter erschwerten Bedingungen. Es ist bisweilen so stickig-heiss, dass sie sich ihrer Blusen entledigen, um überhaupt arbeiten zu können. Was eigentlich schlimmer wiegt: Die Frauen schuften in den 60er-Jahren zu einem Lohn, der verglichen mit dem, was Männer verdienen, markant niedriger ist. So gehen sie auf die Barrikaden und lehren die Oberen das Fürchten. Nicht nur den Firmenbossen, auc...
In der Näh-Halle der Autofabrik Ford im britischen Dagenham arbeiten die Frauen unter erschwerten Bedingungen. Es ist bisweilen so stickig-heiss, dass sie sich ihrer Blusen entledigen, um überhaupt arbeiten zu können. Was eigentlich schlimmer wiegt: Die Frauen schuften in den 60er-Jahren zu einem Lohn, der verglichen mit dem, was Männer verdienen, markant niedriger ist. So gehen sie auf die Barrikaden und lehren die Oberen das Fürchten. Nicht nur den Firmenbossen, auch den zögerlichen Gewerkschaftsbonzen bläst von den bewegten Frauen ein scharfer Wind entgegen.
Frauen an die Macht
Worum es den Frauen geht? Ganz simpel: Respekt und Rechte, keine Privilegien. Aber was nicht angeht, ist, ihre Arbeit als weniger qualifiziert einzustufen und damit geringer zu entlöhnen. Es ist nicht gewerkschaftliches Taktieren und Abwägen, sondern eine Strategie des Geradeaus, welche die Frauen verfolgen. Ganz unverblümt gehen sie zur Sache, gegen alle Widerstände.
Der den Frauen wohlgesinnte Gewerkschaftsvertreter Albert (Bob Hoskins) hat schon vieles erlebt, und er bringt die besondere Lage in Dagenham, speziell in der Näh-Abteilung, schön pointiert auf den Punkt: «Ich habe im Krieg gegen Rommel gekämpft, aber ich habe mehr Angst, wenn ich da reingehe.»
So nehmen sie denn in im guten Sinn naiver Art und Weise das Heft selber in die Hand, «sprechen» in der Delegation beim Management noch als stumme Bittstellerin vor, erläutern ihre Anliegen auf der Gewerkschaftsversammlung, organisieren einen dilettantischen Warnstreik – um schliesslich bei Harold Wilsons roter Arbeitsministerin Barbara Castle (Miranda Richardson) Tee zu trinken und eine Zusicherung zu erhalten (immerhin: 92 Prozent des Männerlohns).
Rita O’Grady (Sally Hawkins, die Frohnatur aus Mike Leighs «Happy-Go-Lucky») ist eher unfreiwillig zur «Rädelsführerin» gewählt worden. Mit Engagement, gesundem Menschenverstand und Mut nimmt sie die Rolle an und schwingt sich zur überzeugenden Rednerin auf. Bei der Audienz im Ministerium tragen die Frauen der Delegation ihre Sonntagskleider. Rita hat sich für den wichtigen Termin das modische Biba-Kostüm pikanterweise ausgerechnet von der Ford-Chef-Gattin Lisa (Rosamund Pike) ausgeliehen. Diese ist selber eine ungleich Behandelte: Trotz Uni-Abschluss hat sie daheim das Hausmütterchen zu spielen. Kleiderausleihe als schönes Bild für Frauensolidarität.
Der «reisserische» Filmtitel erklärt sich übrigens aus einer Szene, in der das Demonstrations-Transparent, das Geschlechtergleichheit fordert, nicht zur Gänze ausgerollt ist und so das letzte Wort noch nicht lesbar wird: «We Want Sex Equality».
Mit wahrem Happy End
Die wahre Geschichte findet zu einem Happy End: Tatsächlich wird in England als direkte Folge des «Näherinnen-Aufstands von Dagenham» im Jahr 1970 das Lohngleichheitsgesetz (Equal Pay Act) eingeführt. Der Kampf hat sich definitiv gelohnt. Und beim Kinobesuch lohnt es sich, das historische Handeln der Frauen als beschwingten Filmspass mitzuerleben.