Robert Walsers winzige Kritzeleien galten lange Zeit als eine Art Geheimschrift. Erst nach jahrelanger Fleiss-Arbeit liessen sich die Texte in den 70ern entziffern. In Millimeter grosser, fast unlesbarer Sütterlinschrift hatte sie der Autor mit spitzem Bleistift auf 526 Blätter notiert. Seine Werke schrieb er teilweise auf be­druckte Formulare, Telegramme oder Quittungen, was die Entschlüsselung nicht vereinfachte.
Diese Mikrogramme sind in den 20ern in Bern entstanden, wo der psychisch angeschlagene Autor zurück­gezogen lebte. Hierhin war er nach dem Tod seines ­psychisch erkrankten Bruders Ernst und dem Selbstmord seines Bruders Hermann gezogen. Mit Schreiben konnte sich der Autor kaum über Wasser ­halten. Um seine Krise zu überwinden, begann er «zu bleistifteln, zu zeichnelen, ­zu gfätterlen», wie er seine Mikrogramme beschrieb. Er bezeichnete die Phase als eine «Zeit der Zerrüttung, die sich gleichsam in der Handschrift, im Auflösen derselben abspielte.» In dieser Manier schrieb er Gedichte, Prosastücke und gar einen ganzen Roman (siehe Seite 31). Da Walser selbst die wenigsten seiner Texte ins Reine geschrieben hat, blieb diese fast unlösbare Aufgabe der Nachwelt vorbehalten.
Im Robert Walser-Zentrum sind nun seine kunstvollen Mikrogramme zu sehen. Sie geben einen Einblick in die eigene, abgekapselte Welt, die sich der Schriftsteller durch seine Bleitstiftminia­turen erschaffen hatte.


Robert Walsers Mikrogramme

Bis Mi, 15.10.2014
Öffnungszeiten: Mi–Fr, 13.00–17.00
Robert Walser-Zentrum Bern
www.robertwalser.ch

Literaturwanderung

Herisau – Auf den Spuren von Robert Walser
So, 16.6., 13.00–18.00 Herisau
(Treffpunkt wird bei Anmeldung bekannt gegeben)
Infos und Reservation:
www.literaturspur.ch