Wagner zum Hören und Nachdenken
Die Festspiele Zürich nehmen sich Richard Wagner an. Das ist kein leichtes Unternehmen in der Schweiz, weiss Geschäftsführer Elmar Weingarten.
Richard Wagner zieht in der Schweiz nicht so richtig. Auch Elmar Weingarten, seit 2007 Intendant der Zürcher Tonhalle und Geschäftsführer der Festspiele Zürich, musste sich erst daran gewöhnen. «Ich war wieder einmal überrascht über die geringe Auslastung bei meinem letzten Parsifal-Besuch in der Zürcher Oper», gesteht er. «In München wäre dieselbe Vorstellung mit Sicherheit restlos ausgebucht.» Als ausgebildeter Soziol...
Richard Wagner zieht in der Schweiz nicht so richtig. Auch Elmar Weingarten, seit 2007 Intendant der Zürcher Tonhalle und Geschäftsführer der Festspiele Zürich, musste sich erst daran gewöhnen. «Ich war wieder einmal überrascht über die geringe Auslastung bei meinem letzten Parsifal-Besuch in der Zürcher Oper», gesteht er. «In München wäre dieselbe Vorstellung mit Sicherheit restlos ausgebucht.» Als ausgebildeter Soziologe interessiert er sich für die gesellschaftlichen Hintergründe dieses Phänomens: «Es könnte damit zu tun haben, dass es die Schweizer nicht mögen, wenn allzu laut aufgetrumpft wird, was bei Wagner ja häufig der Fall ist.»
Politische Aspekte
Dennoch starten die Festspiele den Versuch, Wagner zumindest kurzzeitig zu Zürcher Prominenz zu verhelfen: Sie widmen dem vor 200 Jahren in Leipzig geborenen Komponisten ihren Schwerpunkt. Dies mit einem Erfolg versprechenden Programm, das auf Wagners Zürcher Jahre gemünzt ist. Wagners politischer Aktivismus und seine Beteiligung an den bürgerlichen Revolutionen trieben den Komponisten früh ins Schweizer Exil. Wesentliche Teile seiner Opern komponierte er in Zürich und verfasste nebenher politische und kunsttheoretische Schriften. In ihnen wird deutlich, dass Wagner nicht nur ein überzeugter Revolutionär war, sondern auch ein fanatischer Antisemit. Sein in Zürich verfasstes Pamphlet «Das Judenthum in der Musik» ist das berüchtigste Zeugnis seiner judenfeindlichen Gesinnung.
Anders als in Bayreuth, wo politische Aspekte von Wagners Schaffen nach wie vor ausgeblendet werden, will Weingarten in Zürich solche «Seitenaspekte» ins Zentrum rücken: «Wir wollen den Künstler auch in seinen schwierigen politischen Kontexten thematisieren.» Etwa mit der Uraufführung von Hans Neuenfels’ musikalischer Fantasie «Richard Wagner – Wie ich Welt wurde». Darin würden auch die unangenehmen Aspekte «des Ekelpakets Wagner», so Weingarten, ausführlich zur Sprache kommen. Kritische Wagner-Reflexionen stehen ausserdem in Ringvorlesungen und Podiumsdiskussionen auf dem Programm.
Wagnerstadt
Aber auch die Festspiele Zürich setzen die Hauptakzente auf Musik und Schauspiel, flankiert von Kunstausstellungen. Das Opernhaus beteiligt sich mit dem «Fliegenden Holländer», während in Zürichs Theatern eine Reihe an Schauspielen zu Leben und Werk Richard Wagners aufgeführt werden. Im «Rheingold» etwa lotet Regisseur David Morton den Grenzbereich zwischen Musiktheater und Schauspiel neu aus, während Jazzbassist Dieter Ilg Wagners «Parsifal» improvisatorisch umdeutet.
Elmar Weingarten ist sich bewusst, dass er die hartgesottenen Wagnerianer mit solchen Programmpunkten eher nicht erreichen wird. «Unser Zielpublikum ist eines, das gerne Musik hört und sich zugleich zum Nachdenken anregen lässt», sagt er. So gesehen könnte Zürich doch noch zu einer Wagner-Stadt werden – wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Fritz Trümpi
Festspiele Zürich
Fr, 14.6.–So, 14.7.
www.festspielezuerich.ch