kulturtipp: Das Theater ist zentral in Ihrem Leben. Wann machen Sie selbst ein Theater?
Hanna Scheuring: Wenn ich über das Chaos meiner Kinder stolpere … Und beim Autofahren werde ich schnell hässig, auch wenn ich sonst ein geduldiger Mensch bin. Im Beruflichen suche ich eher den Fehler bei mir selbst, als dass ich andere zusammenstauche.
Sind Sie für die Schweizer immer noch das Vreni aus «Fascht e Familie»?
Das hört nicht auf – noch nach 20 Jahren! (lacht) Heute kommen Vreni und ich gut miteinander aus, aber es gab eine Zeit, als es mich nervte, dass sie immer vor mir stand. Die Leute vergassen manchmal, dass ich eine Rolle spiele. Auf einer Wanderung bekam mein damaliger Mann einmal zu hören: «Lassen Sie das Vreni in Ruhe!» Das naive Vreni ist nicht unbedingt die Frauenfigur, mit der man sich identifizieren will. Vreni ist keine Simone de Beauvoir! (lacht) Aber das Wichtigste ist für mich, dass die Leute die Figur so gerne hatten.
Vom tollpatschigen Vreni zur Leiterin des Bernhard Theaters: Wie hat sich Ihr Image gewandelt?
Ich habe in den 20 Jahren vor allem für mich selbst gemerkt, dass ich beruflich mehr mitbestimmen und mehr gestalten möchte – als Projektleiterin, als Coach für Auftrittskompetenz oder mit eigenen Theaterprojekten.
Wie wird sich das Bernhard Theater unter Ihrer Leitung ändern?
Bis zum nächsten Sommer hat mein Vorgänger das Programm wunderbar vorbereitet. Ich kann mir jetzt die Zeit nehmen, zuzuhören, zuzuschauen und mich gründlich einzuarbeiten. Theater soll auf verschiedene Arten berühren und unterhalten. Das Bernhard Theater hat eine Tradition, die man schützen und pflegen muss. Es hat einen klaren Auftrag als Theater fürs Volk. Schon immer belächelte ein Teil der Kulturszene das Volkstheater. Da sind viele Vorurteile in den Köpfen. Gerne trage ich meinen Teil dazu bei, dies zu ändern. Wie genau, das wird sich mit der Zeit weisen.
Sie haben aber auch gesagt, dass Sie sich für neue Formen des Volkstheaters interessieren. Wird man auf der Traditionsbühne nun auch Experimentelles sehen?
Nein, das Bernhard Theater ist nicht der richtige Ort für experimentelle Performances. Aber das Volkstheater ist in einem grossen Wandel. Die alte Garde stirbt langsam aus und hinterlässt ein Vakuum. Es gibt jedoch Nachwuchstalente, die das Volkstheater neu prägen. Ich halte die Augen und Ohren offen, um auch diese zu unterstützen.
In welcher Rolle sind Sie besonders gut?
Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten und sie mit meiner Begeisterung anzustecken. Ich bin gerne Gastgeberin und fühle mich wohl, wenn es «räblet». Im Bernhard Theater werde ich versuchen, eine herzliche Bindung herzustellen zwischen den Künstlern, dem Publikum und dem Theater.
Welches Neuland möchten Sie auf der Bühne noch betreten?
Es reizt mich, verschiedene Extreme auszuloten. Warum nicht mal eine böse, kalte Figur spielen? Aber als Massenmörderin würde man mich wohl nicht als Erstes besetzen …