Ein junger Mensch klettert an einem Strick die Mauer rauf und auf der anderen Seite wieder runter – unter Lebensgefahr. Prompt wird auf ihn geschossen. Die Mauer befindet sich im Westjordanland und trennt die palästinensischen von den israelischen Gebieten, angeblich um die einen vor den andern zu schützen. Der junge Mann heisst Omar (Adam Bakri). Regelmässig nimmt er die Mühen auf sich, um seinen besten Freund Tarek (Eyad Hourani) zu besuchen, den er seit Kindheitstagen kennt.
Tareks schöne Schwester Nadia (Leem Lubany) steckt ihm heimlich einen Zettel zu. Auch Omar wird ihr Zettel zustecken, solche mit schönen, ihr imponierenden Geschichten drauf. Sie wollen heiraten, müssen dafür aber erst die Erlaubnis der Eltern beziehungsweise des älteren Bruders Tarek einholen. Noch ist es nicht so weit. Bereits hat Omar aber ein Haus in Aussicht. Er hat das Geld dafür auf die Seite gelegt.
Verhängnisvolle Tat
Doch Omar sieht sich weiterhin Schikanen und Demütigungen durch israelische Soldaten ausgesetzt. Da beschliessen die beiden jungen Männer mit ihrem Kollegen Amjad (Samer Bisharat), ein Attentat zu verüben. Sie gehören zwar keiner militanten Gruppe an. Aber sie wollen ein Zeichen setzen und erschiessen einen israelischen Grenzsoldaten.
Eines Tages, nach einer wilden Verfolgungsjagd durch enge Gassen, wird Omar von der Polizei gefasst. Im Gefängnis wartet Folter auf ihn. Er soll verraten, wer auf den Wachposten geschossen hat. «Im Minimum 90 Jahre» hat Omar laut seiner Anwältin zu gewärtigen, wenn er nicht auspackt. «Gibts eine andere Lösung?» – «Solange die Besetzung anhält: keine.» Die Drohung der Behörden lautet: «Wenn du nicht mit uns zusammenarbeitest, wird dein Leben die ewige Hölle sein.»
Man entlässt Omar und gibt ihm draussen einen Monat Zeit, um die Sache zu regeln. Er befindet sich fortan im Konflikt – Freundschaft, Vertrauen, Liebe und Loyalität auf der einen, Verrat auf der anderen Seite. Die Situation eskaliert. Die drei Freunde werden keine mehr sein. Und Nadia wird sich von Omar abwenden. Es ist wie das Lied von den zwei Königskindern, die nicht zueinander kommen können. Oder wie Romeo und Julia. Diese Geschichte kennt kein Happy End.
Das besetzte Palästina
Regisseur Hany Abu-Assad ist «überzeugt, dass der Film auf glaubwürdige Weise die Zustände im heutigen besetzten Palästina widerspiegelt». Der Film verteilt zwar keine Rollen von Gut und Böse, aber es wird deutlich, wer Täter oder Opfer ist. «Ich würde niemals einen Film drehen, der die Menschen nur verurteilt oder verteidigt. Ich überlasse das den Justizbehörden der Welt», erklärt Abu-Assad. Ihn interessiere «die menschliche Seite der Freiheitskämpfer und der Charaktere im Allgemeinen».
Die jungen Darsteller der vier Hauptfiguren in «Omar» sind allesamt Debütanten, die vor der Kamera zu bestehen vermögen. Beim Film handelt es sich übrigens um die erste ausschliesslich mit palästinensischem Geld finanzierte Produktion. «Omar» hat bereits Festivalpreise gewonnen und war als Beitrag Palästinas für einen Ausland-Oscar nominiert.
Omar
Regie: Hany Abu-Assad
Ab Do, 29.5., im Kino