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Diebe sind per se schlechte Menschen. Sie bereichern sich am Besitz anderer, sie handeln gegen die geläufige Moral. Kann Diebstahl trotzdem vertretbar sein? Der japanische Autor Fuminori Nakamura belegt es, auch wenn er dabei dem Leser das letzte Urteil über Recht und Unrecht überlässt.
In seinem Roman hat er einen Antihelden geschaffen, der das Gesetz bricht und dabei seinen eigenen Kodex befolgt: Er bedient sich ausschliesslich bei wohlhabenden Zeitgenossen und nimmt von ihnen nur so viel, wie er gerade benötigt. Nach getaner Arbeit lässt er seinen Opfern ihre Portemonnaies wieder zukommen und gibt auch gerne einen Teil seiner Beute an Bedürftige weiter.
Der meisterhafte Dieb lässt den Leser an seinem Tagwerk teilhaben. Mit den nötigen Tricks ist dieses im von Pendlern überfluteten Tokio ein Kinderspiel. Doch das Leben des Einzelgängers wird unerwartet von einem Jungen auf den Kopf gestellt, der ihn als Leitfigur auserkoren hat. Nur unwillig lässt er sich auf den vernachlässigten Knaben ein und gibt damit seine Unabhängigkeit auf.
Nakamuras Roman wird von einer gefühlvollen und zarten Sprache getragen, welche die Melancholie des Taschendiebs unterstreicht. Die von Ruhe geprägte Geschichte entwickelt aber zunehmend einen düsteren Sog, als der namenlose Dieb von seiner Vergangenheit mit der Yakuza eingeholt wird. Denn die Aufträge der japanischen Mafia haben mit einfachem Taschendiebstahl gar nichts mehr zu tun und führen an den Rand des Abgrunds.
Der in Japan gefeierte Fuminori Nakamura ist hierzulande kaum bekannt. Das wird sich mit seinem ersten ins Deutsche übersetzten Werk ändern, denn dieses überzeugt durchwegs.
Fuminori Nakamura
«Der Dieb»
224 Seiten
(Diogenes 2015).
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