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Sie mag Zeitreisen und kostet es aus, eine Epoche in all ihren Erscheinungsformen darzustellen. Dieser Tage bringt die Regisseurin Sally Potter mit «Ginger & Rosa» eine in den wilden Sixties angesiedelte Sozialstudie in die Kinos (siehe Seite 15). Alle Register ihrer Kunst zog die heute 63-jährige Londonerin vor gut 20 Jahren mit «Orlando».
Potter verfilmte damals ein sehr besonderes Buch von Virgina Woolf (1882–1941). Diese thematisierte mit ihrer 1928 erschienenen «fiktiven Biografie» das Zusammenfliessen von Innen- und Aussenwelten, Bewusstsein und Reflexion anhand der schillernden Figur von Orlando. Der junge Adlige wird Schützling von Königin Elisabeth I., die sich ihn ewig jung wünscht. Das bleibt er tatsächlich und durchlebt 300 Jahre britische Geschichte. Bei Woolf endet Orlandos Zeitreise 1928, lange nachdem er sich zur Frau gewandelt hat, um sich der «männlichen Bestimmung des Tötens und Getötetwerdens» zu entziehen.
Sally Potter spinnt den Faden weiter bis ins London der 1990er-Jahre und macht damit Woolfs Kritik an der Mann-Frau-Dialektik umso deutlicher. Denn Orlando muss feststellen, dass die Männer selbst am Ende des 20. Jahrhunderts noch über die Frauen herrschen.
Potters Film wurde international gefeiert und mit Preisen überhäuft. Ihre expressive Bildsprache, ergänzt mit der (von ihr mitkomponierten) Filmmusik erinnern an die wuchtige Ästhetik des englischen Filmemachers Peter Greenaway. Unvergesslich bleibt Orlando selbst, den Tilda Swinton als androgyne Maske durch die Jahrhunderte trägt.
Frank von Niederhäusern
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