Virginia Woolf brauchte Geld. Denn die Schriftstellerin wünschte sich im Frühjahr 1925 in ihrem Eigenheim, dem Monk’s House, ein Badezimmer. Sie hatte soeben «Mrs. Dalloway» veröffentlicht, jenen raffiniert gestrickten Roman, in dem sie die psychische Wahrnehmung der Figuren mit alltäglichen Erlebnissen verwebt. Tatsächlich vermeldete der Verlag im September, dass sich das Buch gut verkaufe: «Deutet das nicht auf ein Badezimmer & WC hin …?», fragte sich Woolf (1882–1941) im Tagebuch.
Diese Episode illustriert das Leben von Virginia und Leonard Woolf in den 1920er-Jahren. Die Designerin Caroline Zoob schildert sie im Begleittext des neuen Bildbands «Der Garten der Virginia Woolf». Zoob lebte mit ihrem Mann ab 2000 elf Jahre lang in Monk’s House. Die Fotografin Caroline Arber liefert die zum Teil spektakulären Bilder des Anwesens, die sie mit historischen Aufnahmen der Woolfs kontrastiert. Das in der südenglischen Grafschaft Sussex gelegene Monk’s House ist heute im Besitz des Heimatschutzes National Trust und steht Besuchern im Sommerhalbjahr offen.
Die Affäre
Das Ehepaar Woolf lebte in Armut. Es besass zwar diese bescheidene Liegenschaft, aber die Verhältnisse im Haus waren prekär, ohne sanitäre Einrichtungen und Heizung. Leonard Woolf verdiente mit seinem jungen Verlag Hogarth Press in jenen Jahren wenig. Und Virginias Bücher fanden nur zögerlich breitere Anerkennung, zumal ihre Werke den Lesern sperrig erschienen. Dennoch verbesserten sich die Lebensumstände zusehends, und sie konnten Monk’s House nach und nach modernisieren. Die Schriftstellerin und Gartenarchitektin Vita Sackville-West erinnerte sich später amüsiert an das geradezu «kindliche Vergnügen» von Virginia und Leonard, das sie am Spülklosett hatten.
Vita Sackville-West wurde just in jener Zeit für Virginia Woolf wichtig. Die beiden kannten sich schon seit 1922, drei Jahre später entwickelte sich ihre Freundschaft zu einer Liebschaft. Das Ehepaar führte mit Vita zeitweise eine Ménage à trois. Was aus heutiger Sicht kompliziert tönt, war es offensichtlich nicht, zumindest nicht in Virginias Augen: «So machen wir weiter – eine lebhafte, respektable Affäre, meine ich, unschuldig (im Geiste) & allseits zuträglich; für Leonard ein wenig lästig, aber nicht so sehr, dass er sich sorgen würde.» Virginia Woolf zog daraus diesen Befund: «Es ist nämlich so: Der Mensch hat Raum für ziemlich viele Beziehungen.»
Stellt sich nur die Frage, ob Leonard Woolf diesen Sätzen aus Virginias Tagebuch zugestimmt hätte. Sie sind indes kennzeichnend für den Bildband, dessen Begleittext die konfliktbeladene Seite im Leben der Virginia Woolf nicht gerade ausblendet, aber doch sehr beschönigt.
Ein kompliziertes Leben
Allerdings finden sich einzelne Hinweise, wie kompliziert das Leben der Virginia Woolf war. So wird ein Tagebuch-Eintrag der Schriftstellerin zitiert: «Ok, L. muss unbedingt Äpfel sortieren, & das leise Getrappel regt mich auf.» Solche Irritationen gehören zwar zum Zusammenleben eines Ehepaars, aber es steckte mehr dahinter: Virginia konnte unerträglich sein, und sie litt regelmässig unter schweren Depressionen, etwa in den ersten Monaten des Jahres 1929: «Mehrere Wochen musste sie bei Besuchsverbot und hochdosierten Bromsalzen im Bett verbringen», schreibt die Autorin Caroline Zoob. 12 Jahre später sollte sich Virginia Woolf im Fluss Ouse ertränken; diese Episode fehlt im Buch ganz.
Mitunter driftet der Band gar ins Schönfärberische, etwa wenn vom angeblich ungezwungenen Verhältnis zwischen Woolf und der Malerin Dora Carrington (1893–1932) die Rede ist. Carrington litt unter der Verachtung, die ihr Woolf mit ihrem Bildungsdünkel entgegenbrachte. Noch mehr Verachtung hegte Virginia für Männer, die sie für alles Übel der Welt verantwortlich machte. Sie war eine unbeugsame politische Aktivistin der Frauenrechtsbewegung.
Woolf war eher menschenscheu, das mag auf ihre schwierige Kindheit zurückzuführen sein: «Ehrlich gesagt: wenn Besuch kommt, freue ich mich, aber wenn er geht, bin ich heilfroh.» Der Schriftsteller E.M. Forster konstatierte, welch eine schlechte Gastgeberin sie war: «Mich irritierte sehr, dass ich mir so viel selbst überlassen blieb.» Die Woolfs verbrachten ihre Zeit am liebsten beim Lesen, ohne sich um den Gast zu kümmern.
Kraft der Selbstironie
Aber sie kannte auch die heilsame Kraft der Selbstironie. So zeigt der Bildband ein kleines Büchergestell mit Shakespeare-Bänden in kunstvoll gestalteten Umschlägen. Virginia Woolf schrieb Forster 1936 dazu: «Ich binde alle meine Shakespeares neu in buntes Papier – danach will ich vielleicht einen lesen.»
Dieser Bildband erleichtert das Verständnis einer schwierigen Schriftstellerin, die ihrer Leserschaft noch heute sehr viel zu sagen hat. Er scheut sich nicht, den Leser voyeuristisch zu verführen, etwa mit einem indiskreten Blick in jenes Badezimmer, nach dem sich Virginia Woolf so sehr sehnte.
Caroline Zoob (Text)
Caroline Arber (Bild)
«Der Garten der Virginia Woolf»
192 Seiten
(DVA 2013).