Vinicio Capossela Ein Expressionist im Stile Fellinis
Vinicio Capossela ist Pianist, Gitarrist, Sänger, Cantautore, Autor, ein Mann der vielen Hüte <br />
und Masken – und trotz Erfolg noch immer eine Art Geheimtipp.
Inhalt
Kulturtipp 03/2011
Letzte Aktualisierung:
04.03.2013
Ruedi Ankli
Seit bald fünf Jahren zieht er mit seinem spektakulären Tross an Musikern durch ganz Italien und nun – zum 20-Jahr-Jubiläum – gehts auch über die Grenzen seiner Heimat: Nach Zürich, Köln, Paris und London. Das war nicht immer so. Vinicio Capossela debütierte am 24. Oktober 1990 beim Premio Tenco in San Remo. «All’una e trentacinque circa» (Um 01.35 zirka) – auch das Titellied seiner ersten CD – schlägt ein wie e...
Seit bald fünf Jahren zieht er mit seinem spektakulären Tross an Musikern durch ganz Italien und nun – zum 20-Jahr-Jubiläum – gehts auch über die Grenzen seiner Heimat: Nach Zürich, Köln, Paris und London. Das war nicht immer so. Vinicio Capossela debütierte am 24. Oktober 1990 beim Premio Tenco in San Remo. «All’una e trentacinque circa» (Um 01.35 zirka) – auch das Titellied seiner ersten CD – schlägt ein wie eine Bombe. Zu besungener später Stunde in etwa läuft er zu Bestform auf: Vinicio Capossela, Sohn süditalienischer Emigranten, 1965 in Hannover geboren.
Bald warf man ihm vor, zu sehr in den Fussstapfen von Paolo Conte oder Tom Waits zu wandeln, doch damals war er der einzige unter den jungen Cantautori, der solche Einflüsse kreativ umsetzte. Es folgten drei weitere originelle CDs, auf denen Capossela sich mit lateinamerikanischen Einflüssen auseinander- setzte. Es war seine «konfidenzale» Phase, wie er später meinte.
Raus an die Sonne
Zwischen 1996 bis 2000 wandte sich der Cantautore der volkstümlichen, italienischen Blasmusik («Ballo di San Vito») zu, suchte im Balkan und noch weiter im Osten neue Inspirationen («Live in Volvo») und verblüffte auf dem Meisterwerk «Canzoni a manovella» (2000) mit skurrilen Instrumenten wie dem «Bottigliofono».
2003 publizierte Capossela mit Erfolg seinen ersten, enzyklopädisch angelegten Roman, aus dem auch Motive und Figuren in «Ovunque proteggi» von 2006 einflossen. Neu waren auch religiöse wie mythologische Motive in seinem schillernden Panoptikum. Mit diesem erstmals selber produzierten Projekt trat Capossela aus dem Dämmerlicht der Bar an die Sonne, daher auch der Titel der DVD «Nel niente sotto il sole», welche die triumphale Tour mit namhaften Jazzmusikern dokumentierte, die durch die Amphitheater Italiens führte, von Taormina bis Verona.
Mit «Da solo» (2008) richtete sich der Blick wieder nach innen, blieb aber nicht weniger expressiv. Capossela bezeichnete einst in einem persönlichen Gespräch das Klavier als eine Art «Kaminfeuer, um welches sich die Geschichten dieses Albums erzählen». Er sagte: «Hatte ich früher zunächst eine harmonische Idee, so war nun plötzlich alles viel komplexer. Mir war nicht nur wichtig, wovon ich reden wollte, sondern ich dachte an das Gesamtwerk, also zuerst die Argumente, dann die Musik.»
Rein in eine farbige Welt
«Da solo» wurde ein Live-Spektakel für das Kleintheater von über zwei Stunden und mit echten Magiern, ein Abtauchen in eine nie versiegende Welt der Fantasie, die dennoch den Bezug zur Realität behält: «Ich benutze heute das Lied in einer anderen Form. Ich versuche, wie bei der Herstellung eines Filmes oder einer Oper vorzugehen, mit dem Lied mittendrin. Es ist nicht einfach ‹nur› ein Konzert, es ist das gesamte Schauspiel, das zählt.» Der Vergleich mit dem genialen Filmregisseur Federico Fellini drängt sich auf. Dessen Werke von multikolorer Schönheit faszinieren auch heute noch.
Bald erscheint ein neues Album, aufgenommen auf diversen Inseln des Mittelmeers, gefolgt von einer Tour durch Hafenanlagen und Amphitheater der alten Welt.
[CD]
The Story-
Faced Man
(Nonesuch 2010).
Konzert
Di, 8.2., 20.00 Kaufleuten Zürich
[/CD]