VINCENTE MINNELLI Der Ästhet in der Filmfabrik
Mit Vincente Minnelli (1903–1986) kommt am Filmfestival Locarno einer der Grossen Hollywoods zu Ehren. In der Gesamtwerk-Retrospektive zu sehen ist sein erfolgreichster Streifen «An American In Paris».
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Kulturtipp 16/2011
Urs Hangartner
Dies allein ist schon ein Filmfest: In der Retrospektive zeigt Locarno sämtliche 34 Filme von Vincente Minnelli in den besten verfügbaren Kopien. Jede Vorstellung wird von einem Filmkritiker oder einem Filmschaffenden eingeführt. Dazu erscheint eine eigens produzierte Monografie.
Minnelli war der Ästhet in der Filmfabrik Hollywood, der Meister der Farbdramaturgie und der fliessenden Kamerabewegungen, der Schöpfer von eleganten Gegenwelten, der auf der Leinw...
Dies allein ist schon ein Filmfest: In der Retrospektive zeigt Locarno sämtliche 34 Filme von Vincente Minnelli in den besten verfügbaren Kopien. Jede Vorstellung wird von einem Filmkritiker oder einem Filmschaffenden eingeführt. Dazu erscheint eine eigens produzierte Monografie.
Minnelli war der Ästhet in der Filmfabrik Hollywood, der Meister der Farbdramaturgie und der fliessenden Kamerabewegungen, der Schöpfer von eleganten Gegenwelten, der auf der Leinwand den amerikanischen Traum vom Glück verlebendigte, der den Alltag im Film verzaubern liess.
Sechs Oscars
Bereits als Knirps, mit drei Jahren, stand Minnelli auf der Bühne des elterlichen Wandertheaters. Als Kostüm- und Bühnenbildner am New Yorker Broadway machte er sich einen Namen und wurde von Hollywood entdeckt, wo er ab 1940 arbeitete und bald Regie-Produktionen übernahm. 1944 traf er bei seinem dritten Film «Meet Me In St. Louis» die Hauptdarstellerin Judy Garland. Die beiden heirateten 1945 und wurden ein Jahr danach Eltern der Tochter Liza.
Was Minnelli zwischen 1943 und 1976 in Hollywood schuf, sind Komödien, Melodramen und Musicals. Als bekanntestes und erfolgreichstes Minnelli-Werk gilt der sechsfach Oscar-gekrönte Musical-Film «An American In Paris» (1951). In einem künstlichen, in Hollywood erschaffenen Paris versucht sich der nach dem Zweiten Weltkrieg hier hängengebliebene Jerry Mulligan (Gene Kelly) glücklos als Maler. Nicht viel besser geht es seinem Nachbarn Adam Cook (Oscar Levant) als Komponist nach dem Vorbild von George Gershwin. Eine Liebe, die erst erkämpft werden muss, wartet auf Jerry in Gestalt der jungen Parfüm-Verkäuferin Lise Bouvier (Leslie Caron).
Van Gogh stand Pate
Drei Sequenzen ragen im Film heraus: Ein furioser Klavierkonzert-Wunschtraum von Adam Cook, ein Kostümball, wo alle schwarz-weiss gekleidet sind, und die 17 Minuten der berühmten Ballett-Tanz-Suite am Schluss. 120 Tänzer sind am Reigen im Mix aus klassischem Ballett, Modern Dance, Jazz und Steptanz beteiligt. Die 17 Minuten verschlangen die für damalige Verhältnisse stattliche Summe von einer halben Million Dollar. Die sechs Tanzbilder entsprechen Pariser Schauplätzen und sind stilistisch den Werken berühmter Künstler nachgebildet: Manet, Renoir, Utrillo, Van Gogh, Rousseau, Dufy und Toulouse-Lautrec standen für die Gestaltung der Szenen zwischen Impressionismus und Surrealismus Pate. Die Bilder erträumt sich die Hauptfigur Jerry, was psychoanalytisch zu verstehen ist, wie Minnelli 1974 in seiner Autobiografie schrieb: «Das Ballett war nicht die Wiederholung dessen, was sich im Film bisher ereignet hat, sondern die Widerspiegelung der Konflikte in der Seele des Protagonisten.»
25 Jahre nach Minnellis Tod und 60 Jahre nach der Uraufführung wird der Film am Freitag, 12. August, auf der Piazza Grande gezeigt. Mit dabei: Die damals 20-jährige Lise-Darstellerin Leslie Caron, die in Locarno ihre Autobiografie vorstellt.