Wenn es einer versteht, sich professionell zum Affen zu machen, dann Vincent Kucholl. Der Westschweizer Comedian sitzt im Hotel Schweizerhof in Bern, wir sprechen über den Spielfilm «Bon Schuur Ticino» und die dritte Staffel der Erfolgsserie «Tschugger». Beide Male spielt Kucholl einen dubiosen Polizisten, beide Male geht es um das Wesen der Schweiz.
Bei «Bon Schuur Ticino» von Regisseur Peter Luisi (siehe «Carte blanche», Seiten 32/33) soll er als angeblicher Ex-Geheimdienstler Jonas Bornand mit Kollege Walter Egli (Beat Schlatter) die Durchsetzung einer Einheitssprachen-Initiative im Tessin garantieren. Bloss sei dieser Jonas nicht sehr clever, sagt Vincent Kucholl. «Das ist gut für die Figur, es trifft genau meinen Humor.» Jonas sei zudem arrogant, was so gar nicht dem Klischee entspricht, wonach die Romands die Deutschschweizer als arrogant empfinden.
«Verkehrung als komödiantische Mechanik», erklärt der Comedian. «Ich liebe es, dass wir uns nicht wirklich verstehen» In der Westschweiz ist Kucholl eine Institution. Seit über zehn Jahren bespielt er mit Bühnenpartner Vincent Veillon Radiound TV-Sendungen mit FakeInterviews. Da macht er sich übers Militär, die Schule oder die Filmbranche lustig – oft in derart radebrechendem Français fédéral, dass nicht nur das Publikum, sondern auch die Darsteller in Gelächter ausbrechen.
Etwas weniger zu schmunzeln gibts in «Tschugger». Während sich die Hauptfigur Bax (David Constantin) von seinen Eskapaden in Bern erholt, verkörpert Kucholl einen maulfaulen Unterwalliser Flic, der mit seinem Kollegen (Veillon) die Oberwalliser auf dem Posten terrorisiert. Dieser Flic solle etwas doof aussehen und bösartig sein, habe Constantin ihn angewiesen. Das funktioniert, obwohl man gerne mehr gesehen hätte von diesem Unsympathen.
Übrigens auch in «Bon Schuur Ticino», wo Vincent Kucholl – ähnlich wie in den TV-Shows – mit immer neuen Verkleidungen aufwartet. Seine Bühnengarderobe umfasst inzwischen eine Fläche von drei Garagen. Was aber denkt einer, der so viele helvetische Prototypen verkörpert hat, über unser Land? «Vielsprachigkeit ist ein zentrales Element der Schweiz, es gehört zu unserer DNA», sagt Kucholl. «Und ich liebe es, dass wir uns nicht wirklich verstehen.» Auch am Set von «Bon Schuur Ticino» habe man ständig an der Verständigung gebastelt.
«Beat Schlatter spricht kein Französisch, ich kaum Deutsch.» Dabei ist Kucholls Vater Deutschschweizer. «Ja, ich war schon sauer, als ich rausfand, dass, hätte er früher Schweizerdeutsch mit mir gesprochen, ich einen viel grösseren Markt hätte erreichen können.» Nur um augenzwinkernd anzufügen: «Dann besässe ich jetzt vielleicht auch ein grösseres Haus.»
Im Kino
Bon Schuur Ticino
Ab Do, 30.11.
Im Fernsehen
Tschugger, Staffel 3
3+4/5: So, 26.11., 21.45 SRF 1
5/5: So, 3.12., 22.25 SRF 1
Alle Folgen auf Play Suisse
Vincent Kucholls Kulturtipps
Serie
The White Lotus
Sky Show
«Diese leicht bekömmliche Serie punktet mit sensationellen Darstellern, umwerfendem Humor, einer köstlich unwahrscheinlichen Handlung und sorgfältigen Dialogen.»
Ausstellung
Sprachenland Schweiz
«Die Ausstellung untersucht die Mehrsprachigkeit der Schweiz auf spielerische Art. Man lernt viel, und ich empfehle den Besuch nicht nur, weil ich die Texte zum Audioguide geschrieben habe.»
Bis So, 14.1., Landesmuseum Zürich
Literatur
Pierre Lemaitre: Wir sehen uns dort oben (Klett-Cotta 2014)
«Ein Schelmenroman, der zum Ende des Ersten Weltkriegs spielt und 2013 den Prix Goncourt erhielt. Ich habe das Buch letzten Sommer verschlungen – und auch die Folgebände der Trilogie.»