Der Kampfgeist ist bereits etwas angeschimmelt bei den drei älteren Ex-Revolutionären, die sich in Emil Zopfis neuem Krimi «Spitzeltango» nach vielen Jahren in Zürich wieder begegnen: Der pensionierte Tramführer Pippo, der sein wildes Leben in einer italienischen Landkooperative für eine Frau aufgegeben hat und nun als einsamer Witwer beim Kompost Umpflügen im Schrebergärtchen über Marx’ Gesellschaftstheorie philosophiert. Der erfolglose Filmemacher Hermann, der sich in Liebe zur unerreichbaren Tangotänzerin Carmen verzehrt und das geerbte Haus aus finanzieller Not an ein Bordell vermieten muss. Und der vergessliche und inkontinente Germanistikprofessor Robert Brown, der vor seiner Flucht nach Amerika Robert Brönnimann hiess und für einen Gastvortrag über Max Frisch nach rund 40 Jahren wieder in seine Heimatstadt Zürich gereist ist.
Gemeinsam gekämpft
Die drei kennen sich aus ihrer Jugendzeit aus der «Revolutionären Zelle Zürich». Sie protestierten gemeinsam für linke Bürgerrechte und wurden bei einem misslungenen politischen Attentat erwischt. Ihre Mitstreiterin Sara hatte sich damals in der Zelle erhängt, und ihr Ex-Genosse Anton Tscharner hat inzwischen die Seite gewechselt und kandidiert als rechtspopulistischer Stadtpräsident.
Nur am Rande ein Krimi
Als der grüne Politiker Martin Kunz, der sie damals als Anwalt vertrat, tot in der Limmat aufgefunden wird, finden Pippo, Hermann und Robert noch einmal zusammen. Denn sie sind überzeugt, dass hinter Kunz’ Tod kein Unfall, sondern Mord steckt. In Verdacht haben sie Anton Tscharner, «die Taschenausgabe von Berlusconi», der sie bereits nach der missglückten Politaktion verraten haben soll, um seine eigene Haut zu retten.
Nach zahlreichen Krimis aus den Glarner Bergen begibt sich der 70-jährige Autor und passionierte Bergsteiger Emil Zopfi ins Flachland. Sein «Spitzeltango» ist diesmal aber nur am Rande ein Krimi, sondern vielmehr ein Gesellschaftsroman rund um die Zürcher 68er-Bewegung – ausgestattet mit feinfühligen Beobachtungen über die Unzulänglichkeiten des Älterwerdens und einem Schuss Wehmut. Aus der jeweiligen Perspektive der drei Protagonisten schildert Zopfi die verrauchten Träume der Alt-68er. Was ist aus all den Ideologien geworden, welche die einstigen Kämpfer bei ihren Treffen im Volkshaus oder «Cooperativo» heissblütig vertreten haben? So stellt etwa Pippo nüchtern fest: «Die Träume, Visionen, die Aufbruchsstimmung und der Zorn von einst. Alles dahin. Verschüttet vom kleinbürgerlichen Müll und Mief, der sich um sein Leben aufgehäuft hatte. Ertränkt im Alkohol.»
Doch aufgerüttelt durch den Tod von Martin Kunz, sammeln die drei nochmals ihre revolutionären Kräfte. «Sie waren wieder die Idealisten und Moralisten und Ideologen von einst, Kämpfer und Wirrköpfe mit vagen Visionen, aber abwegigem Mut, die nach Aktion lechzten. Es kam ihm vor, als seien sie bloss als alte Männer verkleidet, in Wirklichkeit aber jung und voll Feuer geblieben.» Derart begeistert zeigt sich Hermann, als die drei über den Texten für Flyer und Transparente brüten, mit denen sie den «Verräter» Anton Tscharner bei einer Politveranstaltung auf dem Uetliberg entlarven wollen. Aber auch diesmal geht bei der Aktion einiges schief und endet fast im Drama. Doch das Leben oder zumindest Zopfis Fiktion davon hält auch für desillusionierte Alt-68er noch ein versöhnliches Ende mit ein paar (Liebes-)Überraschungen bereit.
Lesung
Mit musikalischer Begleitung von DJ’ette Diva D.
So, 15.12., 11.00 Buchhandlung Wortreich Glarus
Emil Zopfi
«Spitzeltango»
208 Seiten
(Limmat Verlag 2013).