Kein Schild, keine Hausnummer deuten auf seinen Eigentümer hin. Wer hier auf einem bewaldeten Grundstück im Zürcher Oberland wohnt, ist auf keine Laufkundschaft angewiesen: In dieser prachtvollen Industriellenvilla verleiht Urs Bachmann seine Klaviere.
Rund ein Dutzend Steinway-Flügel stehen im ehemaligen Kutscherhaus des Anwesens. Fein säuberlich aufgereiht, stossfest und temperaturgeschützt verpackt warten sie auf ihre Abreise. Sie sind ein Teil des bachmannschen Instrumenten-Imperiums. Es umfasst rund 50 Flügel, darunter 12 Konzertflügel, ein Dutzend akustische Klaviere sowie eine Handvoll Cembalos, Celestas und Hammerflügel. Der Bestand ist nach eigenen Angaben der grösste Europas. Zu den Kunden zählen Privathaushalte, Musikhochschulen, Konzertstätten oder Festivalveranstalter.
Neben den Leihinstrumenten besitzt Bachmann auch alte Instrumente wie ein rund hundertjähriges Berdux-Klavier, dem er in stundenlanger Feinarbeit zu neuem Klang verhilft – dies aber mehr «aus Vergnügen», sagt der 60-Jährige. Viel Zeit bleibt ihm dafür kaum, zu sehr ist er mit seinem Kerngeschäft beschäftigt. Allein 25 Flügel gehen bald wieder ans Klassikfestival nach Verbier, erzählt Bachmann – eine logistische Herausforderung, sollte man meinen.
Er und seine vier Mitarbeiter können die bis zu 600 Kilogramm schweren Instrumente allerdings im Alleingang ausliefern, aufbauen und stimmen – sogar am Wochenende. Eine Dienstleistung, die bei Konzertorganisatoren wie Pianisten gut ankommt.
Die Klientel ist so anspruchsvoll wie prominent. Ob Schlager- und Popkünstler wie Udo Jürgens oder Elton John, ob Starpianisten wie Lang Lang oder Alfred Brendel: «In den vergangenen 40 Jahren gab es kaum einen Künstler, für den ich nicht gearbeitet habe», erzählt der Klavierbauer. Selbst Rockbands wie den Rolling Stones und Queen habe er schon Flügel gebracht, als es noch keine elektrischen Instrumente gab.
Pöstler und Hardrocker
Dabei waren der Wetziker und das Klavier nicht von Beginn an eine Erfolgsstory. Der aus einer musikalischen Familie stammende Sohn eines Buchdruckers übte nicht fleissig genug und flog als Primarschüler aus dem Klavierunterricht. Als Teenager wechselte er von der klassischen zur modernen Musik und spielte als Pianist in einer Hardrockband.
Sein Brotjob als Pöstler langweilte ihn zwar, ein Musikstudium erschien ihm jedoch zu theoretisch, als er sich von einem Berufsberater für die Ausbildung zum Klavierbauer begeistern liess. Der junge Bachmann absolvierte sie beim Musikhaus Jecklin in Zürich. Anschliessend machte er sich bei so bekannten Klaviermanufakturen wie Bösendorfer und Bechstein mit den Feinheiten der edlen Instrumente vertraut.
Als die Nachfrage nach Leihinstrumenten stieg, kaufte Bachmann zu. «Pianisten haben das Problem, dass sie ihr eigenes Instrument nicht mit auf die Bühne nehmen können», erklärt er. Umso wichtiger sei es für ihr persönliches Wohlbefinden, das Instrument optimal an ihre Bedürfnisse, den Musikstil und die räumliche Umgebung anzupassen. Hier sah Bachmann – als inzwischen selbständiger Klavierstimmer – seine Chance. Ein Auftrag des Radiostudios in Zürich brachte ihn mit der hiesigen Musikszene in Kontakt. Er lernte mehr und mehr Künstler kennen und machte sich als verlässlicher Klavierlieferant und -stimmer einen Namen.
Seit bald 30 Jahren leitet der umtriebige Klavierbauer gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Daniel den Betrieb mit mehreren Angestellten. Das Renommee ist stetig gewachsen: So lässt sich der ungarische Pianist András Schiff, für den Bachmann seit über drei Jahrzehnten arbeitet, inzwischen seine Flügel um die ganze Welt bringen. Bachmann stimmt seinen Konzertflügel unmittelbar vor jedem Auftritt. Für seine Dienste habe der berühmte Künstler ihm unlängst persönlich auf der Bühne des traditionsreichen Wiener Musikvereins gedankt, erzählt Bachmann. Der Stolz in seiner Stimme ist unverkennbar.
Spezielle Wünsche
Es gebe auch schwierige Charaktere mit besonderen Wünschen. «Pianisten sind sensible Persönlichkeiten und brauchen – genau wie ihr Instrument – spezielle Zuwendung», erklärt Bachmann. Dies gelte umso mehr vor einem Auftritt. So zähle neben dem feinen Gehör, handwerklichem Können und Musikalität auch psychologisches Geschick zu den Kernkompetenzen seines Standes.
Für die tägliche Arbeit sind viel Routine und Konzentrationsfähigkeit wichtig, ergänzt Daniel Bachmann. Dies gelte besonders bei störenden Geräuschen wie beim Orchesteraufbau. Erfahrung sei hier das A und O, so der 48-Jährige. Ein Lehrling brauche vier Jahre, um ein Klavier stimmen zu können. Für einen Konzertflügel braucht es bis zu zehn Jahre Erfahrung.
«Auszeit» in Uruguay
Obwohl die beiden Brüder den Betrieb gemeinsam führen, entscheidet Urs Bachmann, welcher Flügel wohin geht. Ob er selber Klavier spiele? Ja, er möge die Musik der Romantik sowie Franz Schubert. Doch viel Zeit habe er nicht fürs Musizieren. Dennoch liess sich Bachmann kürzlich zwei Flügel nach Uruguay liefern. In dem südamerikanischen Land, das er über den dort geborenen Pianisten Homero Francesch kennenlernte, besitzt er seit einigen Jahren ein Haus. Hierhin möchte er sich in Zukunft zwei Monate des Jahres zurückziehen – auch wenn er mit dem Geschäft in Verbindung bleibe, schiebt er schnell nach.