Unterwegs in der Stadt
In seinem Spielfilmdebüt «Oh Boy» erzählt der deutsche Regisseur Jan Ole Gerster vom ziellosen jungen Niko. Er ist auf Sinnsuche in Berlin.
Inhalt
Kulturtipp 01/2013
Urs Hangartner
Ein Tag und eine Nacht, 24 Stunden in Berlin in schwarz-weissen Bildern: Das ist der Rahmen zu Jan Ole Gersters Langspielfilmdebüt, zu dem er auch das Drehbuch geschrieben hat. Im Zentrum steht der Endzwanziger Niko Fischer (Tom Schilling). Früher hätte man ihn nobel als Flaneur bezeichnet. Heute sagt man am ehesten Hänger oder Taugenichts. Zwei Jahre schon zahlt der Vater (kurz, aber wunderbar: Ulrich Noethen) ihm monatlich 1000 Euro für sein Studium – bis er h...
Ein Tag und eine Nacht, 24 Stunden in Berlin in schwarz-weissen Bildern: Das ist der Rahmen zu Jan Ole Gersters Langspielfilmdebüt, zu dem er auch das Drehbuch geschrieben hat. Im Zentrum steht der Endzwanziger Niko Fischer (Tom Schilling). Früher hätte man ihn nobel als Flaneur bezeichnet. Heute sagt man am ehesten Hänger oder Taugenichts. Zwei Jahre schon zahlt der Vater (kurz, aber wunderbar: Ulrich Noethen) ihm monatlich 1000 Euro für sein Studium – bis er herausfindet, dass sein Sohn schlicht nichts tut. Er habe, so Niko beim klärenden Vater-Sohn-Gespräch, über sich und ihn nachgedacht. Zwei Jahre lang.
Nichtsnutz Niko bleibt ein sympathischer Held. Er tut niemandem etwas zuleide. Unterwegs, in einer Beiz, trifft er auf eine alte Bekannte, die frühe-
re Klassenaussenseiterin Julika. Gespielt wird sie, anders als gewohnt, von Friederike Kempter, die man aus den «Tatorten» mit Thiel und Boerne als Assistentin Nadeshda kennt. Hier ist sie eine aufgekratzte Blondine mit einer traumatischen Vergangenheit als gehänselte Dicke.
Begegnungen aller Art
«Oh Boy» erzählt in Episoden: Bei seinen Gängen durch die Stadt begegnet Niko Menschen, bekannten und solchen, die er zufällig ein erstes Mal trifft. Niko besucht unter anderem eine ziemlich schräge, «avantgardistische» Tanztheateraufführung, in der Julika mitwirkt. Es geht auf ein Filmset, wo gerade ein Nazi-Drama gedreht wird, es kommt zu Begegnungen mit U-Bahn-Kontrolleuren und dreinschlagenden alkoholisierten Nachtschwärmern sowie mit dem prolligen neuen Nachbarn.
Vielleicht gibt es für Niko am Schluss eine Läuterung. Jedenfalls trifft er in einer Bar auf einen tragisch endenden älteren Herrn (Justus von Dohnányi), der melancholisch von früher erzählt. Niko ist am Ende nicht mehr derselbe in diesem Film, der nicht nur ein Berlin-Film sein will, sondern «ein allgemeingültiger Grossstadtfilm», so Regisseur Gerster. Er legt mit «Oh Boy» einen hochgepriesenen Abschlussfilm an der Film- und Fernsehakademie Berlin vor.
www.ohboy.x-verleih.de
[Film]
Oh Boy
Regie: Jan Ole Gerster
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