kulturtipp: Christina Pluhar, welches Olivenöl steht in Ihrer Küche?
Christina Pluhar: Sinnbildlich meinen Sie? Weil wir bei unserem Mediterraneo-Projekt eine Ölbaumgrenze gezogen haben?
Nein, ganz real!
Ich verwende ein italienisches Bio-Öl. Trotz der portugiesischen und griechischen Einflüsse auf dem neuen Album hat sich daran nichts geändert.
Ihre Sängerinnen sagen, Sie würden verschiedenste Zutaten ideal mixen und daraus ein tolles Gericht kochen.
Ich bin eine schlechte Köchin. Aber nicht nur deswegen gefällt mir der Vergleich nicht. Klar: Ich habe schon in den Projekten mit alter Musik einen Leitungsstil gepflegt, der atypisch ist für die klassische Musikszene. Ich spiele selbst ein Instrument, und meine Musiker sind alles Solisten, berühmte sogar. Die Hierarchie ist mit dem Jazz zu vergleichen: Die Musiker anerkennen, dass es einen Leader gibt, der aber auf derselben Ebene mitspielt.
Sie stellen Ihr Licht unter den Scheffel! Der Kochvergleich zeigte doch, dass nur ein Zauber diese völlig unterschiedlichen Zutaten zusammenführen kann.
Niemand weiss genau, wie Sie – die Köchin oder Zauberin – das machen.
Ich kanalisiere die Energien. Aber es ist schon so, dass es für viele schwierig ist zu sagen, was wir denn eigentlich machen – auch für mich.
Ich frage dennoch: Was machen Sie?
Wir entwickeln neue Formen: In der Struktur, in der Hierarchie, in der Art zu musizieren, in der Repertoirewahl und in der Offenheit zu anderen Musikstilen. Unsere Experimentierfreude ist ungebremst, aber man kann mein Tun auch deswegen nicht einordnen, weil ich nicht will, dass man mich einordnet. Meine Musiker müssen in der Lage sein, dem zu folgen, was ich suche. Innerhalb des Weges, den ich vorzeichne, gibt es tausend andere Wege, etwas zu machen. Und diese Musiker ergreifen diese Möglichkeiten, sobald sie eine sehen.
Sie spielen, Sie arrangieren, Sie dirigieren: Wie würden Sie denn Ihren Beruf bezeichnen?
Erstmal bin ich Vollblutmusikerin. Aber ich muss zugeben, dass sich mein Beruf seit der Gründung meines Ensembles L’Arpeggiata total verändert hat. Ich muss mich sehr oft auch mit aussermusikalischen Dingen beschäftigen. Das hatte ich mir nicht so vorgestellt. Jedes Jahr muss ich Geld auftreiben, um meine Mitarbeiter zu finanzieren. Wie lange das gut geht, weiss ich nicht – vielleicht habe ich auch mal die Nase voll davon. Wir verbringen zwar alle paar Abende zwei wundervolle Stunden auf der Bühne. Das ist ein Traum. Aber was es vorher dazu braucht, kann sich niemand vorstellen. Gerade jetzt sind wir in einer Zeit des Umbruchs: Gewohnte Subventionen an Konzertveranstalter bleiben aus, das Konzertleben verändert sich – zusammen mit dem Publikum. Festivalkultur und normales Kulturleben driften völlig auseinander: Vielleicht gibt es in zehn Jahren nur noch Live-Konzerte auf dem Internet.
Das glaube ich nicht. Wer kürzlich an Ihrem Konzert im Pariser Salle Gaveau war, kommt wieder, wenn Ihr Name auf dem Plakat steht.
Danke. Die Leute suchen solche Erlebnisse, das merke ich schon. Aber es sollte einfacher sein, das den Leuten zu bieten.
Auf Ihrer letzten CD «Los Pájaros Perdidos» führten Sie die Hörer nach Südamerika. Nun gehts mit «Mediterraneo» rund ums Mittelmeer. Bisweilen tönt das, Sie werden mir wohl widersprechen, gar nicht so anders …
Ich widerspreche gar nicht, das freut mich. Es zeigt: Wir haben einen persönlichen Stil gefunden, alte Musik zu spielen. Egal, was wir spielen, Monteverdi oder Luigi Rossi, mit türkischen oder südamerikanischen Musikern: Der Basisklang von L’Arpeggiata ist erkennbar.
Das ist Ihr Klang, der Klang der Maestra.
(lächelt) Ein bisschen schon.
Christina Pluhar wurde 1965 in Graz geboren. Aus der Lautenistin und Harfenistin wurde eine Figur der historischen Aufführungspraxis, die Massstäbe setzt. Ihre Kenntnisse erwarb sie sich am Konservatorium Den Haag und an der Schola Cantorum Basel. Mit ihrem 2000 gegründeten Ensemble L’Arpeggiata ist sie jährlich auf zahlreichen Festivals präsent. Mit international bekannten Musikern der Barockszene spielte L’Arpeggiata mehrere viel beachtete CDs ein.
CDs
L’Arpeggiata: Mediterraneo
(Virgin 2013).
L’Arpeggiata: Los Pájaros Perdidos – The South American Project
(Virgin 2012).
Monteverdi: Vespro della Beata Vergine
(Virgin 2011).
Konzert
Mi, 15.5.–Mi, 22.5.
Schlosshof Lenzburg AG(Konzert L’Arpeggiata: Di, 21.5., 19.30)
Karten: www.lenzburgiade.ch