Silberfischchen im Badezimmer sind wenig willkommen. Doch die beiden deutschen Autorinnen Ruthild Kropp und Carina Heberer brechen eine Lanze für die winzigen Gäste, die Häuser als bevorzugten Lebensraum entdeckt haben: «Silberfischchen ernähren sich unter anderem von Schimmelpilzen, dass heisst, sie vermindern sie, was uns sehr recht sein kann.» Einzelne Tierchen müssen allerdings noch auf keinen Schimmel hinweisen, sondern höchstens auf eine zu hohe Luftfeuchtigkeit. Treten diese Wesen aber in Massen auf, schimmelt es bedenklich in den eigenen vier Wänden.
Für Biologen sind Silberfische ein spannender Forschungsgegenstand, denn es handelt sich bei ihnen um eine «Reliktgruppe», um lebende Fossilien aus der Urzeit. Sie existieren seit 300 Millionen Jahren und sind schon vor dem Tyrannosaurus rex durch die Gegend gekrabbelt. Angesichts dessen, sollte man den Viechern bei der nächsten Begegnung wohl mit mehr Respekt begegnen und nicht gleich zum Ungeziefermittel greifen.
Die Autorinnen Kropp und Heberer werben in ihrem unterhaltsamen Band «Unbekannte Mitbewohner» für Verständnis mit den Tieren, die ihren Lebensraum mit den Menschen teilen. Man kennt das Phänomen: Biologen interessieren sich vor allem für diejenigen Tiere, die Normalbürger im Alltag mit «Pfui» quittieren. Allerdings setzen die Autorinnen nicht nur auf die angeblich tollen Kakerlaken & Co., sondern wenden das Augenmerk auch niedlichen Lebewesen zu.
Füttern, pflegen, Nest aufschütteln
Ein Beispiel ist die Meise, deren Familienleben geradezu entzückend ist: «Die Nestlingszeit ist Schwerstarbeit für die Eltern. Durchschnittlich alle zwei Minuten fliegt eines der Alttiere mit Beute an … Nach dem Füttern werden noch weitere Pflegemassnahmen erledigt. So wird Nistmaterial, das sich in den Babyschnäbeln verfangen hat, herausgezogen. Ausserdem wird das Nest geschüttelt, um Insekten zu vertreiben.» Und das Überraschende: «Blaumeiseneltern streiten, wer diese Arbeit übernehmen darf.» Wer übrigens die Blaumeisen im Winter füttert, muss nicht meinen, dass die gleichen Vögel im Frühjahr in der Nachbarschaft nisten. Sie sind ziemlich unstet und lassen sich nieder, wo es ihnen passt.
Im Einzelfall machen sich die Autorinnen einen Spass daraus, die Tiere zu entromantisieren. Die Glühwürmchen etwa sind keine Würmchen, sondern Käfer und sehen in natura alles andere als hübsch aus. Die Männchen leuchten nachts am Hinterleib, damit die Weibchen sie von unten sehen. Aber die Damen fliegen nicht auf alles, was leuchtet: «Weibchen bevorzugen Partner, die kräftig, lange oder in einem schnellen Rhythmus blinken …» Das ist für die Männchen ein Risiko, weil auch Feinde die Lichtspuren orten. Mit andern Worten: Nur ein wahrer Teufelskerl geniesst die Gunst der Weibchen – ein bisschen wie im Leben der Menschen.
Buch
Ruthild Kropp, Carina Heberer
Unbekannte
Mitbewohner
200 Seiten
(Theiss 2018)