Keine Fernsehsendung ist so klar und gleichzeitig so unklar wie die Wettervorhersage, so einfach und dennoch kompliziert, so fantasielos und trotzdem spannend. Die Wettervorhersage zählt mit der Vielfalt ihrer merkwürdigen Widersprüchlichkeiten zu den kürzesten Sendungen, was ihr vollends eine Sonderstellung verleiht. Und sie hat um 19.55 Uhr eine der höchsten Einschaltquoten mit einem Marktanteil von 48,8 Prozent oder mit 684 000 Zuschauern, was sogar die Werte der zuvor ausgestrahlten Tagesschau etwas übertrifft. Von diesen Qualitäten können manche Shows, Talks und Filme nur träumen.
Karg und unattraktiv
Es liegt am Wetter. Als unendliches Drama der Wechselfälle bestimmt es das Leben, ermöglicht, bedroht und vernichtet es, macht Menschen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Die Vorhersagen sind die einzigen Sendungen, die uns alle etwas angehen.
Dieser allgemeinen Bedeutung tragen die Wetterdienste Rechnung, indem sie am Boden, auf den Meeren und in der Luft rund um die Welt und die Uhr eine Datenflut sammeln und mit laufend verbesserten Methoden und einer steigenden Präzision auswerten. Dagegen nehmen sich die Anstrengungen der Fernsehstationen, die Prognosen in eine attraktive Sendeform zu bringen, bescheiden aus. Der Inhalt an sich sorgt für genügend Publikum. Es verzeiht den gestalterischen Minimalismus und die inszenatorische Ideenlosigkeit, derentwegen sich die Sendungen international gleichen wie ein Wetterfrosch im Glas dem andern.
Formal sind die Meteoprogramme bei der Kärglichkeit der Sportübertragungen vor 300 Jahren stehengeblieben, als es noch keine Wiederholungen, variantenreiche Kameraperspektiven, Zeitvergleiche und laufend aktualisierte Ranglisten gab. Was an sinnvollen Zusatzleistungen im elektronischen Medium steckt, wird für die Wetterberichte nicht ausgeschöpft. Sie erinnern ans Fernsehen der ersten Stunde, das Radio mit bewegten Bildern war.
Knapp kommentiert
Am Ende der «Tagesschau»-Hauptausgabe handelt die ARD das Wetter in einer knappen Minute ab. Über einer stilisierten Deutschlandkarte wandern zügig kommentierte Wolken, Sonnenstrahlen und Regentropfen von Westen nach Norden, Osten und Süden.
In gleicher Kürze folgt beim ZDF auf «heute» das «Wetter». Der Moderator tritt von rechts ins Studio, wendet den Blick zur elektronischen Bildwand mit den Wettersimulationen, erläutert diese mit hoher Geschwindigkeit, sucht dazwischen den Augenkontakt mit dem Publikum, belastet mal das linke, mal das rechte Bein, dreht den Oberkörper leicht im Uhrzeiger- und Gegenuhrzeigersinn und wagt den einen und anderen Schritt zur Seite und zurück zur Mitte. Was Dynamik sein soll, ist Täuschung.
Kecke Ausnahme
Bewegungsärmer moderiert ist das 60 Sekunden dauernde «Wetter» beim ORF vor «ZIB 20». Ein paar Wische mit der Hand über die Datenkarten, eine Ruck-Zuck-Kommentierung von West nach Ost und umgekehrt und schliesslich eine atemlose Zusammenfassung des 15-Tage-Trends.
Mit Keckheit wartet das Schweizer Fernsehen auf. «Meteo» nach der «Tagesschau» um 20 Uhr wird unter freiem Himmel auf dem Studiodach moderiert und nimmt sich vier Minuten Zeit, um die Wetterlage nicht hastig abzuspulen, sondern als kleine Geschichte ruhig zu erzählen. Das wirkt sympathisch und erhöht bei den Zuschauern die Merkbarkeit der Prognosen.
Die Sprache bleibt jedoch auf allen Sendern schwer verständlich. Wer nicht höchst konzentriert die Ohren spitzt, bekommt bloss Bruchstücke mit und baut sie sich hinterher in der falschen Reihenfolge zusammen. Die Kommentare sind zu schnell. Wir hören Chopins «Minutenwalzer» in 30 Sekunden. Es könnte darum sein, dass die Ursache für die unzuverlässigen Prognosen weniger bei den Meteorologen liegt als vielmehr bei unserer Aufnahmefähigkeit.
Denksport ade
Das Wetter vermögen wir nicht zu ändern. Zu verbessern jedoch wäre die Präsentation der Prognosen. Die informatorische Überlappung von Symbolen, Strömungsgrafiken, Zahlen für die Temperaturen bei Tag und bei Nacht und von mündlichen Erklärungen müssten verständlicher geordnet sein. Kurze und prägnante Sätze hätten die Schachtelkonstruktionen zu ersetzen. Das Wetter darf ein unergründliches Rätsel bleiben, aber die Vorhersage als Denksportaufgabe verfehlt ihr Ziel.