Ein junger Peruaner fährt mit seinem spitzschnabeligen Binsenbötchen aufs Meer, wirft sein Netz aus in der Hoffnung auf eine Handvoll Fische – aber dann bekommt er es mit einer Bedrohung zu tun, mit der er im Leben nicht gerechnet hätte. Sein Tod ist atemberaubend schön, nur hat der Mann leider nichts davon.
Eklige Eiswürmer und Hummerschleim
So beginnt Frank Schätzings über 1000-seitiger Roman «Der Schwarm» von 2004, und so beginnt auch die gleichnamige Serie. Der Unterschied: Wo der Autor zahlreiche Gedanken seiner Prologfigur einfliessen lässt (der Peruaner verachtet Grossfischerei und will die Tradition seines todkranken Vaters weiterpflegen), da wird in der Serie kein Wort gesprochen.
Ein derart mundfauler Anfang – das ist schon fast verwegen für einen mit 40 Millionen Euro superteuren Fernseh-Achtteiler, der von zahlreichen internationalen TV-Sendern finanziert wurde – federführend war das ZDF, mitbeteiligt das SRF. Und die Ruhe vor dem Sturm hält erstaunlich lange an. Aber als sich dann eklige Eiswürmer in Norwegen in die Tiefe fressen, als der Schleim eines küchenfertigen Hummers in Frankreich für kollektives Dahinsiechen sorgt und ein gigantischer Buckelwal in Kanada ein Whalewatching-Schiff entzweihaut, ist es um die Menschheit nicht mehr gut bestellt.
Als Zuschauer ist man so überwältigt wie sprachlos. Doch ist es das, was wir uns von dieser Serie erhofft haben?
Tatsächlich ist «Der Schwarm», mit dem Schätzing seinen grossen Durchbruch feierte, in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich. Da ist vor allem die Digitaltechnologie, die sich gemäss Special-Effects- Chef Jan Stoltz «auf Marvel-Niveau» bewegen soll.
Ein kühner Anspruch, aber was man am kleinen Bildschirm sieht, hat für europäische Verhältnisse durchaus Grösse. Und nein, zum Superhelden muss deshalb niemand mutieren. Dafür sind die zumeist in einem Forschungslabor oder in einem Energiekonzern beschäftigten Figuren denn auch zu sehr mit ihren Zahlen und Daten beschäftigt. Ein Glück, dass man diese modernen Bürogummis wenigstens auf den Shetlandinseln auch mal ins Pub lässt.
Der Stoff bleibt mehr Buch als Bild
Aber gerade dort, als sich die Doktorandin Charlie (Leonie Benesch) ein etwas gar berechenbares Liebesabenteuer mit einem lokalen Schönling gönnt, merkt man, wie oft sich diese Serienfiguren bis zur Verwechselbarkeit biegen und ducken müssen. Der Wiedererkennungsfaktor bleibt gering.
Nur gut, dass da eine grantige Professorin für Meeresbiologie (Barbara Sukowa) mit ein paar herzhaften Schnippischkeiten auffällt. Schon klar: Es dürfte fast eine Mission Impossible gewesen sein, diesen an unzähligen Orten spielenden und mit schwarmmässig vielen Figuren bestückten Roman in eine Serie zu übersetzen – auch wenn Schätzing selbst am Drehbuch mitwirkte. Jedenfalls bleibt der Stoff mehr Buch als Bild.
Und vielleicht ist dies auch der Grund, dass es fast 20 Jahre dauerte, bis man sich unter der Leitung von Serien-Showrunner Frank Doelger («Game of Thrones ») überhaupt an eine Verfilmung wagte. Handkehrum: Es hat durchaus etwas Zeitgemässes, dass Schätzings Clash zwischen Natur, Mensch und Technik gerade jetzt zur Serie wurde.
Der Klimawandel kann als Thema ganz schön polarisieren. Am besten zu sehen ist das an der Figur Sigur Johanson (Alexander Karim): Der Meeresbiologe, der als «good guy» und verkappter Romantiker eine Ölfirma beraten soll, verkörpert die moderne Zerrissenheit wie kein Zweiter. Oder wie es Johanson mit Blick auf die Manager in den Konzernetagen formuliert: «Die Welt zu retten war immer schon deren Lieblingshobby – solange sich Geld damit verdienen lässt.»
Der Schwarm
Ab Mo, 6.3., 20.05 SRF 1
Täglich 2 Folgen
Stream
1–3/8: Ab Mi, 22.2.; 4–6/8: Ab Mi, 1.3.;
7–8/8: Ab Mi, 8.3.
www.playsuisse.ch
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