Die drei Freunde verbrachten dort nur eine kurze, jedoch lange nachwirkende Zeit. Die in Tunesien gemalten Aquarelle von Paul Klee und August Macke gehören zu den meist reproduzierten Kunstwerken aus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Der gemeinsame Aufenthalt dieser beiden Maler mit ihrem Schweizer Freund Louis Moilliet in Tunis, St. Germain, Hammamet und Kairouan dauerte nur zwei Wochen, löste aber eine nachhaltige Wirkung aus. Nicht ganz zutreffend als «Tunisreise» bezeichnet, ging die eigentliche Tunesienreise als Ereignis in die Kunstgeschichte ein.
Intensives Licht
Das Berner Zentrum Paul Klee erinnert nun mit einer neuen Ausstellung an jene Reise. Zu sehen sind Ölbilder, Aquarelle und Zeichnungen der drei Künstler und historische Dokumente.
Die stärksten Spuren hinterliess diese ungewöhnliche Reise bei Klee, der künstlerisch am besten darauf vorbereitet war. Das Erlebnis des intensiven Lichts und der exotischen Atmosphäre förderte seinen Abstraktionsprozess beträchtlich. Macke erreichte in kristallklaren Impressionen mit leuchtenden Farben den Höhepunkt seiner Aquarellkunst. Moilliet, der schon 1908 nach Tunesien gereist war, spielte als Führer eine wichtigere Rolle denn als Maler. Seine reifsten Aquarelle brachte er erst mehrere Jahre nach der gemeinsamen «Morgenlandfahrt» – so lautete Hermann Hesses Erzählung jener Expedition – hervor.
Am 6. April 1914 beginnt in Marseille die Überfahrt auf der «Carthage». Als Gäste des Berner Arztes Ernst Jäggi logieren Klee und Moilliet in Jäggis Stadtwohnung in Tunis. «Ein Schwarzer kocht, eine säuerliche Aargauerin macht die Zimmer», vertraut Klee seinem Tagebuch an. Am 16. April folgen die berühmt gewordenen Sätze: «Ich lasse jetzt die Arbeit. Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne Fleiss. Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiss das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.»
Zur Farbe gefunden
Erst 1921 kam es zur Reinschrift des Tagebuchs, wobei Klee den ursprünglichen Text mit der Absicht überarbeitete, den Tunesienaufenthalt zu seinem Durchbruch als Maler zu stilisieren. In Wirklichkeit hatte der Künstler schon mit den Aquarellen «Die grüne Giesskanne» (1910) und «Im Steinbruch» (1913) zur Farbe gefunden.
In Aquarellen wie «Ansicht von Kairouan», «Hammamet», «St. Germain bei Tunis», «Im Stil von Kairouan, ins Gemässigte übertragen» oder im Jahr 1915 gemalten «Mondaufgang St. Germain» stiess Paul Klee zu einer neuen Bildgestaltung vor. Er gliederte die Motive in Rechtecke und entwickelte mit quadratischen Farbflächen formgestaltende Reihen. Damit löste er sich so von seiner bisherigen malerischen Technik. Die in Tunesien entstandenen 35
Aquarelle bedeuten mit ihrer Verbindung von geometrischen Strukturen und lichterfüllter Farbigkeit einen Wendepunkt in Klees Malerei. Ein kleiner Schritt trennt diese farbigen Blätter voll märchenhafter Bildpoesie von den wenige Jahre später in München gemalten Kompositionen mit Quadraten.
Macke als Reiter
Während Klee Tagebuch führte, hielt Macke die Reise in Fotografien fest. Zusammen mit Klee und einem Fremdenführer liess er sich als Reiter vor der Barbier-Moschee in Kairouan von Moilliet fotografieren.
Nebst 33 Aquarellen schuf Macke in Tunesien an die 80 Zeichnungen in drei Skizzenbüchern. Zur Ausarbeitung blieb ihm wenig Zeit. Eben erst eingerückt, fiel er schon am 26. September 1914 in der Champagne. Von Mackes farblich kräftigeren und detailreicheren Aquarellen unterscheiden sich diejenigen von Moilliet durch verhaltenere Farbigkeit und die Bevorzugung grösserer Flächen.
Seit der 1982 in Münster (Westfalen) gezeigten Ausstellung «Die Tunisreise» ist deren künstlerischer Ertrag erstmals wieder in Verbindung mit historischen Dokumenten und überdies mit Leihgaben aus bedeutenden US-amerikanischen Museen zu sehen.
Ausstellung
Die Tunisreise. Klee, Macke, Moilliet
Fr, 14.3.–So, 22.6.
Zentrum Paul Klee Bern
Ermässigtes SBB RailAway-Kombi für die Ausstellung «Die Tunisreise. Klee, Macke, Moilliet» im Zentrum Paul Klee erhältlich am Bahnhof oder beim Rail Service 0900 300 300 (CHF 1.19/Min. vom Schweizer Festnetz) sowie online auf sbb.ch/tunisreise