Tomas Schweigen - «Theater muss nicht vorsichtig sein»
Seit Saisonbeginn ist der leidenschaftliche Regisseur Tomas Schweigen als Co-Leiter am Theater Basel tätig. Der Gründer der freien Kompagnie Far A Day Cage sucht möglichst engen Kontakt zum Publikum.
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Kulturtipp 23/2012
Babina Cathomen
Unmögliche Stoffe reizen ihn am meisten. «Theater muss nicht vorsichtig sein, die Möglichkeit zu scheitern gehört dazu», meint Tomas Schweigen in der belebten Basler Theaterkantine. Mit seiner Theatergruppe Far A Day Cage (FADC) hat er sich schon an manches Experiment gewagt. Etwa an das Mammutprojekt «Pate I–III» nach dem gleichnamigen Film – inklusive selbst gespieltem Soundtrack und einer riesigen Tafel, an die sich das Publikum zum Essen ...
Unmögliche Stoffe reizen ihn am meisten. «Theater muss nicht vorsichtig sein, die Möglichkeit zu scheitern gehört dazu», meint Tomas Schweigen in der belebten Basler Theaterkantine. Mit seiner Theatergruppe Far A Day Cage (FADC) hat er sich schon an manches Experiment gewagt. Etwa an das Mammutprojekt «Pate I–III» nach dem gleichnamigen Film – inklusive selbst gespieltem Soundtrack und einer riesigen Tafel, an die sich das Publikum zum Essen und Wein trinken setzen konnte.
«Die Stücke, die wir uns aussuchen, haben immer stark mit uns selbst zu tun», sagt der 35-Jährige. Familie, Kultur und Business, die vorherrschenden Themen in «Der Pate», treffen auch auf FADC zu. Die Truppe ist in den acht Jahren seit ihrer Gründung zur Familie zusammengewachsen, die mit hintersinnigen Theaterarbeiten international von sich reden macht.
Einstand mit Strindberg
Nun hat sich FADC einen festen Platz im Basler Ensemble ergattert. Auch dies ist ein Ausloten der Grenzen, denn der Wechsel brachte Kritik aus der freien Szene ein. «Es ist wichtig, dass es die beiden Pole – freie Szene und Stadttheater – gibt», meint Schweigen. «Unsere Bedingung war, dass wir hier mitentscheiden können. Meine Co-Leitung ermöglicht dies. Es ist eine Begegnung auf Zeit, von der beide Seiten profitieren.»
Den Einstand hat FADC mit August Strindbergs «Traumspiel» gemacht – ein Stück, das mit seiner von Zeit und Raum losgelösten Traumlogik als schwer spielbar gilt. «Alles kann geschehen. Alles ist möglich und wahrscheinlich», heisst es in der Vorrede zum Stück. Das war genau nach Schweigens Gusto: «Strindberg hat darin die Richtlinien, wie ein Drama funktioniert, auf den Kopf gestellt. Und es geht auch ums Theater selber – zum Spielzeitstart konnten wir so unsere eigene Arbeit auf der Bühne reflektieren.»
Das gemeinsame Entwickeln mit den Schauspielern ist ihm wichtig: «Sie sollen sich mit dem Stoff identifizieren – das Publikum will einen Schauspieler auf der Bühne sehen, der hinter dem steht, was er sagt.» Tomas Schweigen ist kein abgehobener Theatermann, der sich um seine Zuschauer schert. Er will
sein Publikum herausfordern, manchmal provozieren, aber auch unterhalten.
«Vollkontakt»
«Wir machen Theater für euch, nicht gegen euch!», ist sein Credo. Dieses hält nun auch im Theater Basel Einzug. «Vollkontakt» hatte Schweigen im Vorfeld angekündigt. Er sucht den Austausch mit dem Publikum mit neuen Formen. Für wenig Geld kommen beispielsweise Schauspieler mit einer Performance zu den Leuten nach Hause. Und das Theaterhaus selbst soll sich öffnen: Im Foyer sind eine neue Bar und Veranstaltungen geplant, an denen sich Publikum und Bühnenleute durchmischen.
«Wir wollen das ältere Publikum nicht vergraulen und den Jüngeren zeigen, dass Theater nicht spiessig sein muss.» Der Regisseur redet sich in Leidenschaft und gestikuliert so wild, dass ein Glas über den Tisch fliegt.
Die Faszination fürs Theater hat ihn schon in seiner Jugend in Wien gepackt, «wo man am Theater gar nicht vorbeikommt». Seine Eltern seien von seinem «brotlosen» Studium und Beruf zuerst nicht begeistert gewesen – zumal er als Einserschüler auch jede andere Arbeit hätte wählen können. Doch inzwischen kommen die Eltern aus Wien an jede Premiere – nach Zürich, wo er zwölf Jahre gelebt hat, und nun ins neue Domizil nach Basel.