Es ist ein guter Morgen, als sich Tim Fehlbaum aus seinem Hotelzimmer in Los Angeles zum Videogespräch zuschaltet. Gerade wurde sein Drama «September 5» als bester Film für die Golden-Globe-Verleihung 2025 nominiert. «Eine wunderbare Bestätigung», findet der Basler, der in den USA weilt, um die Werbetrommel für sein jüngstes Werk zu rühren.
«September 5» erzählt von jenem schwarzen Tag an der Olympiade 1972 in München, als Mitglieder der Terrororganisation Schwarzer September elf Athleten des israelischen Sportteams umbrachten. Fehlbaum zeigt dieses Attentat nicht aus objektiver Warte, sondern aus der Perspektive von Sportjournalisten des US-Fernsehsenders ABC in München, die unter dem Druck der Ereignisse zu Newsreportern mutierten.
Von Science-Fiction zum Drama
Warum gerade ABC? «Weil es der einzige Sender war, der damals eine Livekamera auf das Geschehen hatte», sagt der Regisseur. «Um diese Extremsituation und die Liveenergie wiederzugeben, versuchten wir den Fall so nachzustellen, als ob wir selbst Berichterstatter seien. Auf einem Filmset kann man sonst Wände bewegen oder entfernen, hier verzichteten wir darauf, um die Atmosphäre so eng und stickig wie möglich zu halten.»
Dazu muss man wissen, dass Fehlbaums frühere Filme ganz anderer Natur waren: «Hell» (2011) und «Tides» (2021) gefielen als horizonterweiternde Science-Fiction, die von Fehlbaums Mentor Roland Emmerich («Independence Day») massgeblich gefördert wurden.
Mit «September 5» hat sich der Basler nun einen lang gehegten Traum erfüllt. «Als ich 1999 den von Arthur Cohn produzierten Film ‹One Day in September› über das Olympia-attentat sah, liess mich das Thema nicht mehr los.» Später, als Fehlbaum in München Film studierte, wohnte er in der «Studentenstadt», jenem Häuserkomplex, der 1972 als Olympiadorf gedient hatte. «Da war die Tragödie noch lange präsent.»
Nachvollziehbar also, dass er bei seinem Film grossen Wert auf Authentizität legte – auch bezüglich des TV-Equipments. «Die Geräte sollten nicht nur echt sein, sie mussten auch noch funktionieren.» Ebenso akribische Recherchen stellte er zu den Figuren an: «Wir konnten im Vorfeld den echten Geoffrey Mason ausfindig machen, der damals die 22-stündige Live-Berichterstattung als Augenzeuge miterlebt hatte.» Da sei erstmals die Idee aufgekommen, die Geschichte ganz aus Medienperspektive zu erzählen.
Dieser Ansatz vermochte eine weitere Hollywoodgrösse zu überzeugen: Nach Roland Emmerich ist es jetzt Sean Penn, der bei «September 5» als Co-Produzent an Bord kam. «Ich bin begeistert, was dieser junge Regisseur aus dem Stoff herausgeholt hat», sagte Penn kürzlich. «Es ist anders als alles, was wir bisher zu diesem Thema gesehen haben.»
September 5
Regie: Tim Fehlbaum, D 2024
90 Minuten, ab Do, 9.1., im Kino
Tim Fehlbaums Kulturtipps
Film
Edward Berger: Conclave (2024)
«Ein Kardinal (Ralph Fiennes) muss gegen seinen Willen die Papstwahl organisieren. Virtuos inszenierter und visuell beeindruckender Vatikan-Thriller eines meiner sehr geschätzten Regiekollegen.»
Film
Mohammad Rasoulof: The Seed of the Sacred Fig (2024)
«Der Film spielt in Teheran zu Beginn der Bewegung ‹Frau, Leben, Freiheit›. Eine unglaublich mutige, kraftvolle und bewegende Geschichte über Moral, Paranoia und Widerstand.»
Ausstellung
Nike – Form Follows Motion
«Vom lokalen Start-up zum globalen Phänomen: eine hervorragend kuratierte Ausstellung – nicht nur für Turnschuh-Fetischisten.» Vitra Museum Weil am Rhein
Bis So, 18.5.