Theaterfestival Basel - Existenzielles Theater mit fröhlicher Kulisse
«Die Welt mit anderen Augen sehen»: Das Theaterfestival Basel bringt nationale und internationale Produktionen auf die Bühne. So werden die Zuschauer beispielsweise in den «Urwald» entführt oder bekommen ein Leben im Zeitraffer vorgeführt.
Inhalt
Kulturtipp 18/2012
Jonas Frehner
«Wo ist die Schweiz am ursprünglichsten?» Diese Frage haben sich Regisseur Tomas Schweigen und seine Zürcher Theatertruppe Far A Day Cage (FADC) gestellt. Die Antwort lautet: Im Bödmerenwald am hinteren Ende des Muotatals. Und dahin, in den grössten Urwald des Alpenraums, hat sich die Gruppe im Frühjahr 2012 zurückgezogen, um ihr neues Stück zu entwickeln.
Keiner hatte damit gerechnet, dass im April im Bödmerenwald noch so viel Sc...
«Wo ist die Schweiz am ursprünglichsten?» Diese Frage haben sich Regisseur Tomas Schweigen und seine Zürcher Theatertruppe Far A Day Cage (FADC) gestellt. Die Antwort lautet: Im Bödmerenwald am hinteren Ende des Muotatals. Und dahin, in den grössten Urwald des Alpenraums, hat sich die Gruppe im Frühjahr 2012 zurückgezogen, um ihr neues Stück zu entwickeln.
Keiner hatte damit gerechnet, dass im April im Bödmerenwald noch so viel Schnee liegen würde. Zwei bis vier Meter umgaben die Hütte, in die sich die Schauspieler und Theatermacher zurückgezogen hatten. Doch dieses Festsitzen und der Natur ausgeliefert sein hat vieles zur Performance «Urwald» beigetragen. Die Hütte und deren Enge in diesem Urwald sollten Teile des Stücks werden.
Gedankenexperimente
Schnee liegt Anfang September in Basel keiner. Die Hütte wurde trotzdem aufgebaut. In ihrer Enge erlebt der Zuschauer die eine Hälfte der Performance und blickt durch Projektionen in den Fenstern in die Schneelandschaft raus, in der sich das Jahr 2712 abspielt. «Mit Hilfe der Zukunft wollen wir das Publikum die Gegenwart erleben lassen», so Tomas Schweigen.
Der Zuschauer soll ein Gedankenexperiment nachvollziehen, das ihn anregt, über das Jetzt nachzudenken. Nach der Hälfte der Performance erhalten die Zuschauer Einblick in die Vorgänge «vor der Hütte» im öffentlichen Raum, auf dem Kasernenareal am Rhein. So kann man den normalen Alltag aus einer ungewohnten Distanz beobachten. Die Schauspieler mischen sich unter die Passanten, vorbereitete und improvisierte Szenen entstehen.
Für die Theatergruppe ist jeder neue Auftrittsort eine Herausforderung, an die man sich anzupassen hat. «Wie zuvor in Zürich oder Frankfurt werden wir in Basel einige Dinge einfliessen lassen, die typisch für die Stadt sind», so Schweigen.
Ab diesem Herbst ist die freie Gruppe FADC vermehrt in Basel zu sehen: Die Mitglieder arbeiten für eine Saison mit dem Theater Basel zusammen und werden zwei Uraufführungen auf die Bühne bringen. Für Tomas Schweigen eine ungewohnte und spannende Situation: «Die Gruppe wird über längere Zeit am selben Ort sein und viel Neues entwickeln. Natürlich müssen wir uns ein Stück weit anpassen – doch auch in Basel werden wir unsere Art, zu spielen, beibehalten und mit der Umwelt interagieren.»
Ein Leben im Zeitraffer
Im Theater Roxy in Birsfelden spielen sieben Kinder zwischen 11 und 16 Jahren im Zeitraffer ein Leben von der Geburt bis zum Tod durch. Und dieses Leben spielt sich in einem Glascontainer auf der Bühne ab, der zwar von aussen einsehbar – innen aber verspiegelt ist. In der Produktion «Before Your Very Eyes» lädt das Performancekollektiv Gob Squad das Publikum zur Selbstreflexion über das eigene Leben ein. 1994 haben Studenten aus Giessen (D) und Nottingham (GB) die Gruppe Gob Squad gegründet, und seither setzt sie auf eine Mischung aus Coolness und Lächerlichkeit.
Im Stück «Before Your Very Eyes» fokussieren sie die Zuschauerinnen und Zuschauer aufs Älterwerden, lassen sie den Zuschauer zurück und in die Zukunft blicken. Eine Stimme aus dem Off gibt den Teenagern Anweisungen, treibt die Zeit voran. Zusätzlich verstärken Videoeinspielungen, die während der Proben vor drei Jahren entstanden sind, das Erlebnis des Älterwerdens. So blickt ein Junge während seiner Pubertät gleichgültig auf einen Gegenstand zurück, den er im Video aus seiner Kindheit niemals aus der Hand gegeben hätte. Das Publikum wird gedrängt, sich zu fragen, was es früher anders gemacht hätte oder noch anders machen könnte.
Gob Squad haben ein unterhaltendes Lehrstück für alle Lebenslagen geschaffen. Denn wer wusste als Kind schon genau, wie sein Leben als Erwachsener sich gestalten und entwickeln würde?