Was passiert, wenn sich ehemals verfeindete Soldaten auf der Bühne treffen? Dieses Experiment macht die argentinische Autorin und Regisseurin Lola Arias in ihrem dokumentarischen Theaterstück «Campo Minado/Minefield». Sie bringt argentinische und englische Veteranen des Falklandkriegs zusammen. 1982 kämpften die verfeindeten Truppen 74 Tage lang um die Falklandinseln im Südatlantik. Auge in Auge, in Schützengräben und Nahkampfgefechten.
Lola Arias hat drei Briten und drei Argentinier zu ihren Erinnerungen an diesen Krieg befragt. Und sie forscht nach, wie das Leben der Kämpfer nach dem traumatischen Erlebnis weitergegangen ist. In ihrem Stück werden Soldaten, die stumpf Befehle ausführen, zu Menschen mit eigenen Schicksalen.
Zum Beispiel Marcelo Vallejo aus Buenos Aires, der als Granatwerferschütze im Kampfeinsatz war: Nach dem Falklandkrieg verlor er seine Arbeitsstelle, schlug sich mit verschiedenen Jobs durch. 1985 fand er einen Job bei Ford, verlor diesen aber aufgrund der Kriegsfolgen und seiner Suchtkrankheit. Als 40-Jähriger krempelte er sein Leben um: Inzwischen hat er an fünf Triathlon-Weltmeisterschaften teilgenommen.
«Ohne Wut kannst du nicht kämpfen»
Auch die anderen ehemaligen Soldaten haben teils überraschende Wege eingeschlagen: Sie arbeiten heute als Heilpädagoge, Psychotherapeut, Strafverteidiger, Musiker und Sicherheitsangestellter.
In Lola Arias’ Stück erinnern sich die sechs Kriegsveteranen an den Hass, den sie gegenüber ihren Gegnern empfanden. Das Stück legt die Mechanismen von kriegerischen Konflikten frei, zeigt auf, wie junge Menschen durch Propaganda und Feindbilder zum Kampf angestachelt werden. «Ohne Wut kannst du nicht kämpfen», sagt einer der Veteranen. Sie erzählen aber auch davon, was es auslöst, wenn man in der Tasche eines getöteten Feindes ein Familienfoto findet.
Bei der Begegnung auf der Bühne 35 Jahre später ist die Feindschaft verschwunden, auch wenn sich die ehemaligen Kriegsparteien über die Besitzansprüche bis heute nicht einig sind. Die Gemeinsamkeiten rücken in den Vordergrund: Es fällt den Veteranen einfacher, mit einem ehemaligen Kontrahenten über ihre Lebensgeschichte zu sprechen, als mit einem Fremden, der nicht weiss, wie sich Krieg anfühlt. Auf der Bühne bilden die Ex-Soldaten eine Band, denn ausser dem Krieg verbindet sie noch etwas: die Musik der Beatles und der 80er-Jahre.
Eine Vater-Sohn-Erzählung
Eine ganz andere Geschichte erzählt der Regisseur Dietrich Brüggemann, der mit dem Stück «Vater» am Berner Festival Auawirleben zu sehen ist. Wie Lola Arias stellt aber auch er anhand individueller Schicksale die grossen Fragen der Menschheit. In seinem Theaterdebüt, das am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt wurde, schildert der preisgekrönte deutsche Filmmacher Brüggemann die Geschichte eines Mittdreissigers. Dieser sitzt am Sterbebett seines Vaters und hätte noch so viele Fragen an seinen einst viel beschäftigten Papa, den er meist als Abwesenden erlebt hat. Doch zu einer Aussprache kommt es nicht mehr. Der an einem Gehirntumor erkrankte Vater kann keine Antworten mehr geben, nimmt seine Geheimnisse mit ins Grab. So beginnt der Sohn, über sein eigenes Leben nachzudenken – über Geburt, Liebe, Tod. Und über die Frage, was am Ende eines Lebens bleibt.
Der Schauspieler Alexander Khuon erzählt diese Geschichte mit viel Selbstironie. In seinem rasanten Monolog schlüpft er in verschiedene Rollen: Er wechselt von der redseligen Tante in die Rolle des loyalen Kumpels, vom schelmischen zum resignierten Tonfall. Humorvoll bringt er die Vater-Sohn-Beziehung auf den Punkt: Der Vater war zwar meist abwesend und dennoch immer präsent als mahnende Leitfigur, die das Leben des Sohns prägte. Am Sterbebett des Vaters ist der Sohn voller Selbstzweifel, blickt aber auch in die eigene Zukunft, die noch einige Überraschungen offenhält.
Grenzenlos
Am Festival Auawirleben in Bern steht Theater aus Schweden, Grossbritannien, Neuseeland, Holland und anderen Ländern auf dem Programm. Das 1982 gegründete Festival verspricht eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und sozialen Themen. Die Initianten wollen mit den Produktionen geografische und künstlerische Grenzen sprengen. So bezieht etwa das Stück «In Many Hands» die Zuschauer mit ein: Theatermacherin Kate McIntosh regt das Publikum dazu an, Alltagsmaterial mit Nase und Tastsinn neu zu entdecken.
Das Projekt «For The Time Being» kreist spielerisch und unter Einbezug des Publikums um das Thema Menschenmengen. Und die Belgier Boris Van Severen und Jonas Vermeulen beschäftigen sich in ihrer Elektro-Oper «The Only Way Is Up» mit Schlüsselmomenten im Leben.
Die fremdsprachigen Inszenierungen haben deutsche oder englische Übertitel. Einige Produktionen und Publikumsgespräche werden in Gebärdensprache übersetzt. Zudem gibt es einen Poetry Slam mit hörenden und gehörlosen Poeten in Lautsprache und Gebärdensprache.
Auawirleben
Sa, 12.5.–Sa, 26.5., Bern
www.auawirleben.ch
Aufführungen
Campo Minado/Minefield
Mi, 16.5., 20.00
Do, 17.5., 19.00
Dampfzentrale Turbinensaal Bern
Vater
Di/Mi, 22.5./23.5., 20.00
Schlachthaus Theater Bern
Stammtisch mit den Künstlern: Di, 22.5., 22.00
Schlachthaus Theater Bern