Theater: Tschechows Klimavision
«Die Bühnenwelt wird aussehen wie Greta Thunbergs schlimmster Albtraum», sagt Kieran Joel zu seiner Inszenierung von Tschechows «Onkel Wanja» in Bern.
Was hat Anton Tschechows 1896 entstandenes Drama rund um ein paar gescheiterte Existenzen auf einem russischen Landgut mit den Menschen von heute zu tun? Der Regisseur Kieran Joel hat dazu einige Antworten parat. Die Ausbeutung der Natur etwa ist eines der zentralen Themen im Stück: Der Landarzt Astrow gehört zu den ersten Figuren in der Weltliteratur, die sich mit ökologischen Gedanken befassen. Er ist ein engagierter Umweltschützer und Vegetarier. Mit seinen apokalyptisc...
Was hat Anton Tschechows 1896 entstandenes Drama rund um ein paar gescheiterte Existenzen auf einem russischen Landgut mit den Menschen von heute zu tun? Der Regisseur Kieran Joel hat dazu einige Antworten parat. Die Ausbeutung der Natur etwa ist eines der zentralen Themen im Stück: Der Landarzt Astrow gehört zu den ersten Figuren in der Weltliteratur, die sich mit ökologischen Gedanken befassen. Er ist ein engagierter Umweltschützer und Vegetarier. Mit seinen apokalyptischen Reden trägt er auf dem Landgut, auf dem Sonja und ihr Onkel Wanja sich seit Jahren langweilen, nicht unbedingt zur besseren Stimmung bei. Als Sonjas Vater, der berühmte Professor Serebrjakow, sich entschliesst, mit seiner jungen Frau Jelena aufs Land zu ziehen, geraten sie zwar vorerst aus dem gewohnten Trott, Liebes- und Lebensnöte flammen auf – aber schliesslich versinken alle wieder in Lethargie.
Kollektiver Stillstand als Thema
Tschechows Klassiker wurde zigfach für Bühne und Film adaptiert. Kieran Joel will in seiner Inszenierung bestimmte Erwartungen an den Stoff umdrehen, wie er sagt. «Ich siedle das Stück im Heute an – das zeigt sich etwa dadurch, dass die Frauen den Männern nicht schweigend zuhören, sondern selbst eine Meinung haben.» Aktuell ist auch das Thema Klimawandel: «Die Bühnenwelt wird aussehen wie Greta Thunbergs schlimmster Albtraum. Die Umwelt ist bereits im Klimachaos versunken», verrät Joel. Er will – auch mittels Video und Musik – Dinge sichtbar machen und «sich nicht darauf ausruhen, dass im Theater ja auch alles Allegorie und Metapher sein kann».
Parallelen zum Heute zeigen sich auch in den inneren Konflikten der Figuren: «Alle stecken fest, würden eigentlich gerne jemand anders sein, finden keine Erlösung», sagt der Regisseur und spricht vom kollektiven Stillstand, den er auch in der Gegenwart wahrnimmt. In seiner Inszenierung widmet er sich Themen, «die uns bedrohen, uns Angst machen, uns lähmen». Den Figuren in «Onkel Wanja» bleibt als Antwort auf die Ausbeutung der Natur und auf gesellschaftliche Umwälzungen nur Resignation. Aus diesen Ingredienzen macht Kieran Joel zusammen mit dem Berner Theaterensemble eine tragikomische Gesellschaftsstudie.
Onkel Wanja
Premiere: Fr, 27.3., 19.30
Vidmar 1 Bern
www.konzerttheaterbern.ch