«Ihr Päckchen ist im Zoll hängen geblieben.» – «Ihre SwissID wurde gehackt.» – «Die Bank hat ein Problem.» So oder anders klingen die erfundenen Problemfälle von Trickbetrügern. Immer wieder fallen ahnungslose Opfer auf solche Maschen herein, verraten sensible Kontodaten oder überweisen Geld an die Schwindler.
Nicht so die Hauptfigur in «Flüstern in stehenden Zügen». Der Protagonist dieses Theaterstücks sitzt einsam in seiner Wohnung und ruft die Gauner zurück, um sie in persönliche Gespräche zu verwickeln.
Feinsinnige Vorlage von Clemens J. Setz
Sein Ziel: Sie sollen wieder zu ehrbaren Menschen werden und von ihrem vorgegebenen Gesprächsleitfaden abweichen. Der skurrile und trotzdem feinsinnige Text stammt aus der Feder von Büchner-Preisträger Clemens J. Setz und findet nun im Winterthurer Kellertheater seine Schweizer Uraufführung. Inszeniert wird das Stück vom Produktionsteam Norman Spenzer, bestehend aus der Regisseurin Johanna Zielinski und der Dramaturgin Zoé Kilchenmann, die schon verschiedene Stücke im Kellertheater realisiert haben.
Beim Videogespräch sagt Zielinski: «Spätestens seit der Coronapandemie wächst die Einsamkeit, wir isolieren uns immer mehr. Das nimmt das Stück auf schöne, verdrehte Weise auf.» Für die Recherche hat sich Zielinski in die Welt der sogenannten «Scam Baiter» eingearbeitet. Das sind Personen, die Trickbetrüger mittels Hacking oder anderer Recherchemethoden entlarven und die ganze Prozedur auf Youtube veröffentlichen – «quasi digitale Robin Hoods», so Zielinski.
Menschlichkeit in der vernetzten Maschinerie
Der Protagonist, der im Stück nur mit C. abgekürzt wird, interessiert sich jedoch nicht für die Straftat, sondern für den Menschen am anderen Ende der Leitung. Er erzählt den Schwindlern von Filmen, die er gesehen hat, oder von seiner verstorbenen Frau, stellt Fragen nach dem Wetter oder dem Dialekt. Wenn sein Gegenüber darauf nicht eingeht, treibt ihn das in den Wahnsinn. Auf eine Art erkenne sich jeder in C. wieder, so Zielinski.
Denn er suche nach Menschlichkeit in einer vernetzten Maschinerie, in der Nähe Mangelware ist. «Andererseits will man ihm zurufen: Das bringt doch nichts! Geh doch mal zum Psychiater, oder gönn dir Tageslicht», so Zielinski. Die Regisseurin sagt, das Stück habe ihr eine neue Sicht auf Trickbetrugsversuche gewährt. «Ich habe noch nie so neugierig in meinen Spamordner geschaut.»
Flüstern in stehenden Zügen
Premiere: Fr, 20.9., 20.00
Kellertheater Winterthur
Gastspiel: Do, 21.11., 20.00
Central Uster ZH