Unbeirrt ist Orpheus ins Reich der Schatten hinabgestiegen, hat den Höllenhund Zerberus und Gott Hades mit seiner Musik besänftigt, um zu seiner Geliebten Eurydike zu gelangen. Beinahe gelingt es ihm, sie wieder in die Welt der Lebenden zu holen. Und dann der fatale Fehler: Orpheus dreht sich trotz Verbot zu Eurydike um und besiegelt so ihr Schicksal im Totenreich.
Zigfach wurde dieser tragische Mythos aus der Antike für die Opern- und Theaterbühnen umgesetzt. Die Truppe in Biel und Solothurn orientiert sich lose daran, findet aber ihre eigene Interpretation und Spielweise. Sie erzählt die Geschichte in Anlehnung an die Commedia dell’ Arte und das Marionettentheater, verbindet Schauspiel mit Puppentheater.
Die Welt der Lebenden und der Toten
Die spanische Puppenbauerin und -spielerin Clara Gil hat eigens für die Produktion eine Marionette gestaltet und wird mit ihr den Part der Eurydike übernehmen, während die anderen Figuren durch die Schauspieler Aaron Hitz und Max Merker dargestellt werden. «Eurydike und Orpheus gehören unterschiedlichen Welten an: der Welt der Lebenden und der Toten», sagt Clara Gil.
Spannend ist auch der Perspektivenwechsel. Bisher wurde der Mythos fast immer aus der Sicht von Orpheus erzählt. «Eurydike ist meist in der passiven Position», erläutert Gil. «Über sie ist viel weniger bekannt, und niemand spricht davon, dass sie zweimal gestorben ist. Man kann den Mythos zwar nicht ändern, schliesslich wurde er vor langer Zeit geboren, aber es lässt sich ändern, wie wir ihn verstehen. Wir können Eurydike eine Stimme geben.»
«All you can be!» ist aber nicht nur eine tragische Liebesgeschichte. Vielmehr will die Truppe jene feinen Linien untersuchen, die Leben und Tod trennen. «Und auf uns Lebende bezogen erzählt das Stück von der Sehnsucht, etwas anderes zu sein, als das, was man geworden ist», führt Clara Gil aus. Die Musik und der melancholische Humor werden in der Inszenierung ebenfalls nicht zu kurz kommen. Denn schliesslich ist das Leben immer beides: Tragödie und Komödie.
All you can be!
Premiere Biel: Do, 22.10., 19.30
Premiere Theater Solothurn: So, 1.11., 19.00