«Wenn wir aufhören zu lachen, geben wir auf», sagt Natalia Blok. Die zierliche Frau im übergrossen Schlabberpullover wirkt schüchtern, weiss aber genau, was sie will. Deshalb hat die ukrainische Dramatikerin den Regisseur Peter Kastenmüller auch gebeten, ihr Stück «Das Leben ist unaufhaltsam» als Tragikomödie und nicht allzu ernst zu inszenieren. Der Stoff ist düster genug: Blok hat den Alltag ihres 23-jährigen Sohnes Matvi in Szenen übersetzt. Dieser überlebte vier Monate lang allein in der südukrainischen, von Russland besetzten Stadt Cherson. Matvi kümmerte sich um eine Katze und einen Hamster und dokumentierte mit Handyvideos das dortige Leben.
Der kulturtipp hat Natalia Blok im Café des Theaters Basel getroffen, wo ihre Komödie Premiere feiert. Mit Blick auf die regnerische Stadt erzählt Blok von ihrer Kindheit in Cherson: Die Eltern arbeiteten in einer Fabrik, liessen sich früh scheiden. «Meine Mutter hat mir immer eingebläut, dass eine Frau nicht vom Geld des Mannes abhängig sein soll.» Daran hat sie sich gehalten. Sie arbeitete als Journalistin, zog drei Kinder von zwei Vätern auf und studierte Regie. Mit 20 schrieb sie ihr erstes Theaterstück, das sie selbst inszenierte. Bloks Dialoge sind in poetischer Alltagssprache verfasst und weisen einen feinen Humor auf.
«Das Schreiben ist meine Therapie»
Damals schrieb sie noch Heiteres. «Ich erzählte die Liebesgeschichten meiner polyamoren Punk- und Hippiefreunde», sagt sie lachend. Nach der Krimkrise 2014 schrieb Blok über geflüchtete Frauen. 2021 – sieben Jahre, zahlreiche Stücke, Filme und Preise später – gründete Blok das Autorentheater teatr dramaturgiv in Kiew mit. Doch kurz vor der Eröffnung startete Russland seinen Krieg. Die Künstlerin floh nach München und schrieb ein Stück, in dem Hitler und Putin sich als Werwolf und Vampir treffen. «Meine Söhne waren weit weg, mein krebskranker Hund lag im Sterben, ich war einfach nur wütend», erzählt sie. Dann zog sie nach Basel, bekam den Status S, schrieb eine Fluchtkolumne für die «WOZ».
Ihre beiden jüngeren Söhne flohen mit dem Vater nach Spanien. Matvi, über 18, durfte nicht ausreisen. Blok machte sich grosse Sorgen, weinte viel. «Und doch bin ich jeden Morgen aufgewacht, habe gelacht und gegessen. Das Leben ging weiter.» Diese Erkenntnis habe sie motiviert, ein Stück über das Leben ihres Sohnes in Cherson zu schreiben. «Die Russen konnten jeden auf der Strasse einfach so töten. Trotzdem blieb Matvi ruhig und machte Videos. Das beeindruckte mich», sagt sie.
Heute lebt auch Matvi in Basel und spielt beim Theaterstück mit. Nächstes Jahr will Natalia Blok einen Film über häusliche Gewalt drehen. Ihre Texte bleiben aber vom Krieg gezeichnet. «Ich kann nicht einfach zu Liebeskomödien zurückkehren», sagt sie. Zudem würden die Theaterhäuser sie im Moment nur nach Kriegsstücken fragen, «weil ich Ukrainerin bin». Sie sei aber dankbar. Das Theater Basel ermögliche ihr, weiter Autorin zu sein. «Und das Schreiben ist meine Therapie.»
Das Leben ist unaufhaltsam
Premiere: Do, 16.11., 20.00 Theater Basel