«THE KING’S SPEECH» Der König als armer Mann
Er wird als Mehrfachfavorit in der nächsten «Oscar»-Runde gehandelt. Im grossartigen Schauspielstreifen geht es um den stotternden englischen König George VI. und seinen australischen Therapeuten.
Inhalt
Kulturtipp 04/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Urs Hangartner
Es ist nicht mehr wie früher. King George V. (Michael Gambon) hat es auch erkannt: «Wir sind Schauspieler geworden. Früher mussten wir nur in Uniform gerade auf dem Pferd reiten und nicht herunterfallen.» Die Zeiten haben sich geändert, auch medial. In den 1920er-Jahren ist es das Radio, das gerne mal königliche Worte über den Äther an die Untertanen verbreitet. George V. beherrscht das Spiel und hat gut reden.
Ganz im Gegensatz zu seinem Sohn Al...
Es ist nicht mehr wie früher. King George V. (Michael Gambon) hat es auch erkannt: «Wir sind Schauspieler geworden. Früher mussten wir nur in Uniform gerade auf dem Pferd reiten und nicht herunterfallen.» Die Zeiten haben sich geändert, auch medial. In den 1920er-Jahren ist es das Radio, das gerne mal königliche Worte über den Äther an die Untertanen verbreitet. George V. beherrscht das Spiel und hat gut reden.
Ganz im Gegensatz zu seinem Sohn Albert, Herzog von York (Colin Firth). Als Repräsentant des Königshauses soll er, ganz zu Anfang des Films, an der «Empire Exhibition» im Wembley-Stadion via Mikrofon zu den Massen sprechen. Der gute Rat «Let the microphone do the work» nützt nichts. Das Mikrofon macht nichts von sich aus. Albert scheitert. Er kann es nicht. Er stottert im Stadion und bleibt stecken. Welche Blamage! Seine Gattin Elizabeth (Helena Bonham Carter) sucht einen geeigneten Therapeuten. Die Demosthenes-Methode (sprechen mit sieben Murmeln im Mund) fruchtet nichts.
Die «australische» Methode ist da vielversprechender, was sich zu Beginn noch gar nicht als sicher erweist. Jedenfalls suchen Elizabeth und Albert unter dem Tarnnamen «Johnson» den australischen Schauspieler Lionel Logue (Geoffrey Rush, David Helfgott in «Shine») auf, der sich in London als Logopäde durchschlägt.
Sprachlos
Anonym kann der königliche Spross nicht bleiben. «Wie spricht man Sie eigentlich richtig an?», fragt Logue. Albert: «‹Your Royal Highness›, und dann ‹Sir›». Wenig beeindruckt der Sprechlehrer: «Dann sage ich Bertie zu euch.» Überhaupt, Royal, Blaublüter hin oder her, es gelten die Regeln, die Logue aufstellt («My castle, my rules»). Den nötigen Respekt lässt er gegenüber dem Höchstadeligen geflissentlich vermissen. Es wird kein einfacher Weg, für beide; unbeirrbar aber bleibt Logue, der seine Sache durchzieht, bis er es einmal etwas zu weit treibt.
Als George V. stirbt, wird Alberts Bruder Edward (Guy Pearce) König. Aber nicht für lange. Denn er entscheidet sich für die Liebe (für die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson) und gegen die Krone. Es ist das Jahr 1936. Im Dezember wird Bertie zum König gekürt: «Der Krieg steht vor der Tür, und sie haben dem englischen Volk einen sprachlosen König aufgehalst.»
Jahre nach der Krönung kommt es zum grossen Auftritt, die historischen Ereignisse erfordern es: 1939 ist Krieg, und vom König wird via Live-Radio eine Rede an die Nation verlangt. Mit tatkräftiger Unterstützung von Logue bewältigt Bertie, nunmehr King George VI. (und Vater der heutigen Elizabeth II.), die Herausforderung mit Bravour. Der König und sein Therapeut werden ein Leben lang Freunde bleiben.
Berührend
Königliche Sorgen wollen uns im Grunde genommen nicht gross kümmern. Aber das menschliche Schicksal des Blaublüters berührt. Und brillant sind die Dialoge zwischen Bertie und Logue, pointiert gedacht und darstellerisch formidabel gemacht, spritzig und witzig. Very British, indeed.