T.C. Boyle - Kampf der Umweltaktivisten
Der US-amerikanische Autor T.C. Boyle wirft im packenden Öko-Thriller «Wenn das Schlachten vorbei ist» ethische Fragen auf.
Inhalt
Kulturtipp 08/2012
Babina Cathomen
Fünf Autos stehen in der Garage von T.C. Boyle. Dennoch schreibt er mit Vorliebe über ökologische oder soziale Themen und bezeichnet sich selbst als «vorbildlichen Umweltaktivisten». Der Stararchitekt Frank Lloyd Wright hat sein Anwesen in der Nähe von Santa Barbara, Kalifornien, entworfen. Kurz: T.C.
Boyle (siehe Box), der schreibende Ex-Junkie, ist längst im Establishment angekommen – auch wenn seine Romane immer noch meist von Aussenseitern ...
Fünf Autos stehen in der Garage von T.C. Boyle. Dennoch schreibt er mit Vorliebe über ökologische oder soziale Themen und bezeichnet sich selbst als «vorbildlichen Umweltaktivisten». Der Stararchitekt Frank Lloyd Wright hat sein Anwesen in der Nähe von Santa Barbara, Kalifornien, entworfen. Kurz: T.C.
Boyle (siehe Box), der schreibende Ex-Junkie, ist längst im Establishment angekommen – auch wenn seine Romane immer noch meist von Aussenseitern handeln. «Ich bin kein schreibender Öko-Jesus, der übers Wasser geht», sagte er in einem «Stern»-Interview. Den moralischen Zeigefinger zu erheben, liegt im fern – und seine Romanfiguren sind so vielschichtig wie er selbst.
Das Recht auf Leben
Die schlichte Aufteilung in gut und böse gibt es bei Boyle nicht. So setzt sich sein Protagonist Dave im neuen Roman «Wenn das Schlachten vorbei ist» zwar für ein triftiges Anliegen ein: Das Recht auf Leben jedes Individuums – ob es nun eine einfache Ratte oder ein vom Aussterben bedrohter Vogel ist. Allerdings kommt Dave als arroganter, cholerischer Dreadlock-Typ daher, während seine Gegenspielerin Alma, die hübsche, gebildete Naturwissenschaftlerin, den Sympathie-Bonus hat. Genau diese setzt sich aber für das Abschlachten von sogenannten Schädlingen wie Ratten oder Wildschweinen ein – im Glauben, ein «Werkzeug des Guten» zu sein, indem sie das Ökosystem wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen versucht.
T.C. Boyle hat sich für seinen neusten Roman von der Sicht aus seinem Fenster inspirieren lassen. Am Horizont des Pazifiks sieht der Autor Santa Cruz, eine von den nördlichen Santa-Barbara-Inseln. Hier und auf der benachbarten, kleineren Insel Anacapa lässt er, wie so oft in seinen Büchern, Mensch und Natur aufeinanderprallen.
Militante Tierschützer
Das Ausgangsszenario: Die durch Menschen auf die Inseln gelangten Ratten und Schweine bedrohen seltene Tierarten. Und hier setzt der ethische Konflikt des Menschen an. Welche Tiere haben ein Recht auf Leben? Extrem sind beide Protagonisten in ihren Meinungen: Der hitzköpfige Tierschützer Dave genauso wie die rationale Biologin Alma. Die zwei haben plausible Argumente vorzubringen, auch wenn beide Seiten übers Ziel hinaus schiessen. «Nicht dass ich gewalttätig veranlagt wäre oder so, aber manchmal müssen gewisse Spezies – oder einzelne Exemplare dieser Spezies – zum Wohl des Ganzen eliminiert werden», sagt etwa ein Mitstreiter von Alma und ergänzt: «Euthanasie. Das ist ein Wort, das mir gefällt. Hauptsache es kommt ein Kaliber .223 zum Einsatz.» Bei diesen Worten läuft es einem kalt den Rücken runter und man schlägt sich auf Daves Seite – bis dieser bei einer Protestaktion fahrlässig das Leben einer Studentin aufs Spiel setzt.
Ohne Mief
Komplexe Figuren sind eine Stärke des Autors. Seine Protagonisten führt er samt ihrer Vergangenheit, ihren Ängsten, Sehnsüchten und Zwiespälten ein, sodass ihr Handeln nachvollziehbar wird. Boyles Können liegt auch darin, historisches Material genau zu recherchieren und packend aufzubereiten. Dem Genre des historischen Romans nimmt er so seinen Mief – denn Langeweile kommt bei der Lektüre nicht auf. Sei das in seinem empfehlenswerten Bestseller-Roman «América» von 1996 über illegale mexikanische Einwanderer oder in seiner Erzählung «Das wilde Kind» von 2010. In dieser nimmt er sich dem in den Wäldern Südfrankreichs lebenden «Wolfskind» Victor von Aveyron an – und thematisiert einmal mehr das Verhältnis des Menschen zur Natur.
[Buch]
T.C. Boyle
«Wenn das Schlachten
vorbei ist»
464 Seiten
(Hanser Verlag 2012).
[/Buch]