Die US-Schauspielerin Barbra Streisand machte kürzlich mit einer skurrilen Geschichte von sich reden: Sie hat ihre tote Hundedame Samantha für viel Geld genetisch kopieren lassen und erfreut sich nun an den beiden Klonen Miss Violet und Miss Scarlett. Eine ganz ähnliche Geschichte erzählt T.C. Boyle in seiner bereits 2005 erschienenen Geschichte «Admiral», die nun auf Deutsch im Erzählband «Good Home» veröffentlicht wird. Mehrfach hat der US-amerikanische Bestseller-Autor bewiesen, dass er ein Gespür hat für die Themen, die der Menschheit unter den Nägeln brennen. In unterschiedlichen Erzählformen verhandelt er in seinen Büchern die Beziehung zwischen Mensch und Natur – zuletzt im Roman «Die Terranauten», in dem er von einem missglückten Öko-Experiment erzählt.
Tierliebe mit grotesken Ausmassen
In seinem neuen Erzählband wimmelt es von Tieren: Hunde, Ratten, Katzen, Waschbären oder sogar ein Tiger und eine Python kreuzen die Wege seiner Protagonisten in den USA. In der Geschichte «Admiral» erzählt T.C. Boyle von einer Tierliebe, die groteske Ausmasse annimmt. Er berichtet aus der Sicht der Hundesitterin Nisha, die von einem vermögenden Paar angestellt wird. Sie soll den geklonten Windhund-Welpen Admiral genauso aufziehen wie vor Jahren seinen Vorgänger, damit das Paar im Klon das geliebte verstorbene Tier wiedererkennt.
Verschrobene Anti-Helden im Fokus
Mit leisem Witz oder auch beissendem Spott weist T.C. Boyle auf die Absurditäten des Menschen im Umgang mit dem Tier hin. Etwa in der Beschreibung eines Gemäldes, welches das Paar von seinem Hund hatte anfertigen lassen: «Der Maler hatte sich in seinem Studio alle Mühe gegeben, den Gegenstand seiner Kunst mit einer edlen Ausstattung zu versehen – die Schnauze erhoben, den Blick auf ein entferntes, vermutlich würdiges Objekt gerichtet –, doch für Nisha sah jeder afghanische Windhund durch und durch lächerlich aus, wie eine Figur aus der Sesamstrasse …»
Je absurder die Tierliebe, desto deutlicher treten die sozialen Unterschiede hervor: Die schwarze Hundesitterin, die sich ein College-Stipendium erkämpft hat, trifft auf das Paar, das sein Geld für Hunde-Gemälde und -Klone verprassen kann. Als ein junger Schweizer Journalist auftaucht, der vorgibt für die «Weltwoche» einen Artikel über die «Klonsitterin» zu schreiben, nimmt die Geschichte nochmals eine andere Wendung …
Die Natur bricht bei T. C. Boyle oft unheilbringend in das Leben seiner Protagonisten ein. Etwa in der Geschichte «La Conchita», in der ein Fahrer eine Leber zu einer kurz bevorstehenden Transplantation bringen soll. Eine Schlammlawine macht diesen Plan allerdings zunichte, und der Fahrer betätigt sich anderweitig als Lebensretter: Wie in Ekstase gräbt er in den Trümmern eines Reihenhäuschens, um Verschüttete zu befreien. Der Lohn für seinen übermenschlichen Einsatz bleibt freilich karg: Der auf die Spenderleber wartende Chirurg beschimpft ihn am Telefon.
In den Fokus seiner Erzählungen, die durch überraschende und eingängige Sprachbilder überzeugen, stellt der 69-jährige Altmeister oft verschrobene, irregeleitete Anti-Helden. Der Lebensretter aus der Geschichte «La Conchita» etwa ist ein Waffenfreak, der seinen Wagen nicht ohne seine Glock 9 mm verlässt und diese auch benützt, wenn ihn ein «Volltrottel» nervt. Den Tonfall passt Boyle jeweils seinen erzählenden Figuren an und blendet so direkt in die menschlichen Abgründe unterschiedlicher Gesellschaftsschichten.
T.C. Boyle
Good Home
Aus dem Englischen von Anette Grube und Dirk van Gunsteren
432 Seiten
(Hanser 2018)