Popping, Retro-Disco-Fieber aus den 70ern oder traditioneller Tanz aus Hawaii – das Angebot für Tanz-Cracks ist gross, fast schon schwindelerregend. Immer wieder kommen neue Stilrichtungen auf. Zumba, eine Mischung aus lateinamerikanischem Tanz und Aerobic, rangiert seit wenigen Jahren weit oben auf der Beliebtheitsskala. Getanzt wird allein und frontal zu einem Spiegel. Das ist schweisstreibend, Konditionstraining pur. Viele tanzen, um fit zu bleiben. Oder weil Tanz in einem drin etwas anspricht und zum Ausdruck bringt.
Nach wie vor boomen die lateinamerikanischen Tänze wie Salsa, Merengue oder Tango. Alle grösseren Tanzschulen führen diese Latin-Tänze im Angebot, zum Beispiel die traditionsreiche Tanzschule Fromm mitten in Basel. Für sie sind lateinamerikanische Tänze eine Frage des Überlebens, denn Salsa-Kurse etwa stehen bei den Kundinnen und Kunden hoch im Kurs. Das Kerngeschäft der 1894 gegründeten Institution Fromm bleiben aber die Standard- oder Gesellschaftstänze wie Wiener Walzer, Quickstep oder Slowfox. Kaum ein Basler mittleren oder älteren Semesters, der nicht die Schule Fromm durchlaufen und hier seine Tanzinitiation erlebt hätte. Bis heute nehmen Basler Paare hier Stunden, um an der Hochzeit auf dem Tanzparkett stolperfrei über die Runden zu kommen. Bernhard Urfer – er heiratete die Enkelin des Tanzschulgründers August Fromm – führt den Familienbetrieb mit Sohn und Tochter nach alter Schule weiter. In Anfängerkursen gibt er den jungen Tanzeleven bei Gelegenheit auch ein «Vademecum» der Benimmregeln in die Hand, wie er sagt. 40 Jahre schon arbeitet Urfer als Lehrer, Tanzen ist für ihn Leben. Selbst nach sieben Lektionen sieht der Mann immer noch frisch und «comme il faut» aus.
Fitness für den Kopf
An diesem Abend drehen sich acht, altersmässig gemischte Paare im Kreis. Sie sind konzentriert und geniessen es offensichtlich. In Öl gemalte Herrschaften in goldenen Rahmen blicken auf die Tanzenden herunter, denn sie bewegen sich im altehrwürdigen, unter Denkmalschutz stehenden Saal der E.E. Zunft zu Hausgenossen. Eines der Paare besucht die Kurse seit zwölf Jahren: Am Anfang sei der Wunsch gestanden, in der Freizeit etwas Gemeinsames zu machen, sagt die Frau. Da war sie um die 50 und unsicher, ob sie all die komplizierten Schritte lernen könne. Inzwischen ist sie vom Tanzvirus infiziert, denn das Tanzen hilft mit, Hirnzellen funktionstüchtig zu halten. Apropos Alter: An vier Nachmittagen pro Woche bittet Urfer zusammen mit Pro Senectute die über 65-Jährigen zum Tanz. Darunter Teilnehmerinnen, die mit dem Rollator und mit Stöcken daherkommen. «Diese Geräte stellen sie, kaum hören sie Musik, in die Ecke und tanzen munter los», sagt der Tanz-Patron.
Mehr als nur Passion
Ganz anders ist das Ambiente auf dem ehemaligen Basler Industrieareal Gundeldinger Feld. Wo einst schwere Maschinen konstruiert wurden, hat sich heute eine breit gefächerte Kreativwirtschaft ausgebreitet. In einem der Gebäude unterrichtet das Team von plan-t Tango. Erst muss man durch eine Metallwerkstatt die Treppe rauf und gelangt in einen hohen Raum unter einem Sheddach; Scheinwerfer schaffen stimmungsvolles Licht. An diesem Abend ist Unterrichtsstunde angesagt.
Während die einen gehen, treffen die nächsten ein, sie wechseln die Schuhe. Die zwischen 20- und 30-Jährigen werden von Pädagogikstudent Lio Wirz und seiner Kollegin auf Englisch unterrichtet, da die sieben Paare aus der Studentenszene kommen und einige nicht deutschsprachig sind. Die beiden Lehrer und mit ihnen zehn weitere junge Leute wurden in der Steinerschule von ihrem Kunstlehrer in den Tango eingeführt. «Es war spassig, wir sind da ganz natürlich hineingewachsen», erinnert sich Wirz.
Seither haben sie vom Tanzen nicht mehr gelassen, sind nach Argentinien gereist und haben unzählige Kurse besucht. Aus ihrer privaten Passion ist eine Schule geworden, oder vielmehr, wie Wirz betont, ein Projekt. Es kann mal passieren, dass über längere Zeit kein Unterricht stattfindet. «Tango hat viele Stile, ist aber von der Struktur nicht so festgelegt wie der Standard-Tanz. Man darf und soll improvisieren.» In diesem Rahmen ist Raum für «eine Form von Exzess», wie Wirz es nennt. Spürbar ist, dass hier die strengen Geschlechterrollen sanft und melancholisch dahin schmelzen und es vor allem um eine fein austarierte Wechselbeziehung zwischen den Tanzenden geht. Unkompliziert, aber sehr intensiv probieren sie bestimmte Bewegungen aus, spielen mit Druck und Gegendruck. Dabei werden sie nicht allzu sehr ins Schwitzen kommen, vielleicht aber so etwas wie Glück empfinden. Tanzen ist mehr als Sport.
Tanzfest Schweiz
Vom 8. bis 10. Mai zelebrieren 21 Schweizer Städte den Tanz – für Akteure und Zuschauer. Der Event zieht jedes Jahr Tausende von Tanzfreudigen an, letztes Jahr nahmen 75 000 Enthusiasten teil. Auf dem Programm finden sich alle Tanzstile für jedes Alter. Infos unter: www.dastanzfest.ch
Tanzveranstaltungen
Tanzvorstellung Frankenstein
Nach dem Roman «Frankenstein» inszeniert Estefania Miranda ein Tanzstück, das die Menschwerdung einer künstlich erschaffenen Kreatur in den Mittelpunkt des Geschehens stellt. Mit der Tanzcompagnie Konzert Theater Bern.
Fr, 8.5., 19.30 Konzert Theater Bern Vidmarhallen
Tanzstadt-Rundgang
Auf einem «Tanzstadt-Rundgang» durch die Innenstadt Badens mit der Gymnastiklehrerin Ursula Dietrich erfahren die Besucher, was an den historischen Plätzen geschehen ist. Gleichzeitig erleben sie, wie die Tänzerinnen und Tänzer die Themen in den jeweiligen Tanzsparten aufgreifen.
Sa, 9.5., 14.00, 15.20 & 16.40 Bahnhofplatz Baden AG
All Stars Reloaded
Die offene Bühne, genannt All Stars, ist das Show-Format für Tanzschulen und Tanzsportclubs. Von Rock ’n’ Roll über Volkstanz bis hin zum Oriental Dance, Stilmix.
Sa, 9.5., 20.00 Chollerhalle Zug
Indischer Tempeltanz – Bharatanatyam
In diesem traditionellen Tanz ist die Kombination von Arm-, Fuss- und Augenbewegungen zentral. Bha (Bhavam) steht für Gefühl, Ra (Raagam) für Melodie, Ta (Taalam) für Rhythmus – Natyam bedeutet Schauspiel oder Tanz. Eine Einführung.
So, 10.5., 13.30 Tanzwerk 101 Zürich