Viel Lärm und Trubel rundherum sind für Catalin Dorian Florescu beste Voraussetzungen zum Schreiben. Meist sitzt der Schriftsteller mit Papierstapeln und Büchern in einem Zürcher Café und tüftelt an seinem Roman. «Meine Suche nach Themen geht immer Richtung Rumänien», sagt der Autor, der als 15-jähriger aus dem rumänischen Timisoara in den Westen geflohen ist und seither in Zürich lebt. «Ich komme von aussen und schreibe deutschsprachige Literatur, aber gleichzeitig verstehe ich die Menschen in Rumänien von innen heraus.»
Werke reifen lassen
Seinen neuen Roman siedelt Florescu zwischen New York und dem rumänischen Donaudelta an, von wo eine Frau aus einer Lepra-Station in den 30er-Jahren zu fliehen versucht. Der Autor, dessen letzter, preisgekrönter Roman «Jacob beschliesst zu lieben» 2011 erschienen ist, lässt seinen Werken viel Zeit zum Wachsen: Bevor er mit Schreiben beginnt, sammelt er Unmengen Material und verarbeitet es in verschiedenen Fassungen. «Vieles davon werde ich nicht direkt verwenden können, aber ich will verstehen, wie eine Stadt geworden ist, was sie ist – und was die dortigen Menschen umtreibt.» Der studierte Psychologe hat früher als Psychotherapeut in einem Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige gearbeitet und sieht in der Psychologie Parallelen zur Literatur: «Der Therapeut wie der Schriftsteller bemühen sich, über die Sprache Klarheit zu schaffen und dort hinzuschauen, wo man nicht gerne hinschaut.»
Florescu ist überzeugt, dass Literatur immer politisch ist, wenn sie nicht nach Schema X funktioniert und nicht gefällig ist. Er äussert sich auch in Essays und Kolumnen zur politischen Lage: «Der Schriftsteller muss Stellung beziehen – nicht nur mit Empörung, sondern mit Wissen, Klarheit und einer Vision.» An seiner emotionalen Reaktion nach Abstimmungsergebnissen merkt der 46-Jährige jeweils, dass die Schweiz für ihn zu einer Heimat geworden ist. Im multikulturellen Zürcher Kreis 5, wo er seit 16 Jahren in einer Dreier-WG wohnt, fühlt er sich wohl. «Dennoch kenne ich Heimat im engeren Sinne nicht. Und auch wenn ich schon seit über 30 Jahren in der Schweiz lebe, werde ich durch andere immer noch zum Migranten gemacht», sagt er.
An seinen ersten Eindruck von Zürich nach der Flucht aus Rumänien erinnert er sich genau: «Wir waren aus dem SchwarzWeiss der Diktatur in einem Farbfilm gelandet.» Aufgewachsen in einer eintönigen, kommunistischen Plattenbausiedlung, wollte er sich als Junge wenigstens geistig auf Fantasiereisen begeben. Die Bücherhelden von Oscar Wilde, Mark Twain, Charles Dickens oder Jules Verne waren seine Begleiter. «Sie sind die Gründerväter meines Schreibens, so wie später die Filme von Federico Fellini oder Emir Kusturica», sagt er.
Spielerisches Arbeiten
Inzwischen bestimmen Schreiben und Lesen den Alltag von Florescu – und das Schwimmtraining, das er wegen seiner Muskelkrankheit benötigt. Zur Sprache hegt der Autor eine fast zärtliche Beziehung: «Ein schöner Satz ist für mich die halbe Welt.» Das Schreiben könne ein Ringen sein; «meist aber ist es ein Hervorlocken, spielerisches Ausprobieren – ein Tanz um die Sprache».