Der spanische Choreograf Gustavo Ramírez Sansano hat sich für seine Zusammenarbeit mit dem Tanzensemble des Luzerner Theaters ein ur-spanisches Thema vorgenommen: die Geschichte um die Zigeunerin Carmen. Doch traditionell gekleidete Toreros, Mantillas und eine Carmen in rot schwingendem Rock wird man vergeblich auf der Bühne suchen. «Ich wollte ein spanisches Ambiente kreieren, dabei aber nicht den üblichen Klischees verfallen», sagt Ramírez Sansano.
Ein neues Script für ein altes Drama
Die Choreografie in Luzern wird eine Neubearbeitung der Uraufführung von 2012 sein. Damals war der Choreograf künstlerischer Leiter des Luna Negra Dance Theater in Chicago und hatte eine Reihe Kurzstücke von Gast-Choreografinnen zu Frauenfiguren programmiert. Er selber entschied sich für «Carmen». «Ich hatte schon so viele Ballettversionen dazu gesehen, fand die Story aber durchwegs unverständlich», erzählt Ramírez Sansano. Auf der Basis der «Carmen»-Oper von Georges Bizet schrieb er ein eigenes Script, im Zentrum Don José, der alles für die Liebe aufgibt und am Ende von Carmen verlassen wird. Die Musik zum Ballett sollte von Bizet sein, allerdings ohne Gesang.
So griff er auf die instrumentale Version der Oper zurück und kombinierte sie mit weiteren Werken des französischen Komponisten sowie ein paar wenigen «Carmen»-Bearbeitungen; es sollte wie aus einem Guss klingen. «Eines meiner Ziele war es, das Drama um Carmen und Don José rein tänzerisch so zu erzählen, dass das Publikum inhaltlich folgen kann.» Für Ramírez Sansano entspricht die tänzerische Bewegung dem Wort, so wie er die Arbeit mit Tänzerinnen und Tänzern gern auch als «Gespräch» bezeichnet. Jede Tänzerin verinnerliche die Gefühle einer Figur anders, meint der Choreograf, und da müsse das Bewegungsmaterial manchmal einfach angepasst werden. «Sowieso denke ich nicht, dass meine Werke perfekt sind», sagt der 41-Jährige, «vor einer Premiere ist meist zu wenig Zeit, um alle Ideen umzusetzen.» Eine Art «work in progress» – das klingt sympathisch uneitel von einem Choreografen, der für seine Werke schon unzählige Auszeichnungen erhalten und mit einigen der renommiertesten Ensembles gearbeitet hat.
Liebe und Schmerz in kräftigen Gefühlsfarben
Bei Ramírez Sansano ist Carmen ein ausserordentlicher, aber auch problematischer Charakter: «Sie nimmt sich die Männer nach Lust und Laune, so wie das im 19. Jahrhundert nur Männer mit Frauen machten, gewissenlos und ohne sich in das Gegenüber einzufühlen.» Pablo Picasso etwa war von der Figur Carmen fasziniert und verglich sie einmal als Stier, den man nicht domestizieren könne. Diese Aussage und dessen Carmen- und Stierkampf-Bilder inspirierten Ramírez Sansano und sein Team zu Bühne und Kostüm. Wie bei Picasso sind die vorherrschenden Farben weiss und schwarz. Der Stücktitel heisst denn auch «Carmen.maquia» mit Bezug auf den Begriff «Tauromaquia», Kunst des Stierkampfs. Am Ende wird Carmen das gleiche Los zuteil wie den Bullen in der Arena, zu zähmen ist sie nicht. Wer die Tanzsprache von Ramírez Sansano kennt, ahnt, dass die Liebe und der Schmerz in seiner «Carmen» nicht in grauen, sondern in kräftigen Gefühlsfarben über die Bühne kommen.
Carmen.maquia
Choreografie: Gustavo Ramírez Sansano
Premiere: Do, 26.9., 19.30 Luzerner Theater
www.luzernertheater.ch