Immer und ewig zu leben, das ist der Wunschtraum vieler. Was aber wäre, wenn uns göttergleich ein ewiges Dasein geschenkt würde? Solche und viele andere Fragen treiben die Choreografin Tabea Martin in ihrer jüngsten Arbeit «Forever» um. Es ist der zweite Teil einer Trilogie, die sich um das Sterben und den Tod dreht.
Wenige Tage vor der Premiere verhehlt Martin ihre Nervosität nicht, lacht aber fröhlich. Das Gespräch findet in windiger Höhe auf einer Café-Terrasse des Basler Warteck-Areals statt. Einige Etagen tiefer liegt das Studio, wo Martin mit ihren fünf Tänzerinnen und Tänzern am neuen Stück probt.
Kindliche Vorstellungen vom Tod miteinbezogen
An diesem Tag gab es Besuch von einer Primarklasse, die sich einen Durchlauf angeschaut und ihr Feedback abgegeben hatte. Denn die entstehende Produktion richtet sich nicht nur an Erwachsene, sondern genauso an Kinder ab acht Jahren. «Interessant, dass es für die Kinder weniger darum geht, was nach dem Tod kommt, als um die direkte Erfahrung des Verlustes, um das Trauern», erzählt die Choreografin.
Vieles aus den kindlichen Vorstellungswelten ist in die konkrete Arbeit eingeflossen. Das Ganze sei dadurch theatraler und visueller geworden. «Im Workshop am Anfang unseres Projektes haben die Primarschüler viel über Mord fantasiert», sagt Martin. «Und das in der vergleichsweise intakten Schweiz!» Wieder bricht die Choreografin in ihr helles Lachen aus. Sie hat das Mord-Motiv in «Forever» integriert und mit ihren Tänzern einen spielerischen Modus dazu gefunden. Ihr ist es wichtig, regelmässig auch für Kinder Stücke zu kreieren. Die 40-jährige Baslerin hat selber eine kleine Tochter. In Holland, wo sie modernen Tanz und Choreografie studiert hat, lernte sie, dass eine Kindervorstellung, die nur für Kinder funktioniert, nicht gut genug ist.
Der Auslöser, sich an einen so gewichtigen Stoff wie die Vergänglichkeit zu wagen, hat im Kern mit Martins Biografie zu tun, mit einem plötzlichen Todesfall in ihrer Familie. «Der Tod ist ein Tabuthema, vom Alltag abgekoppelt.» Uns seien die Rituale und die Natürlichkeit im Umgang mit dem Sterben abhandengekommen, bedauert sie. In ihrer neuen Choreografie versucht Martin, von bekannten Vorstellungswelten und Interpretationen wie Himmel und Hölle wegzukommen, und vertraut dabei ganz auf den Körper und seine Ausdruckskraft, auf dessen Fragilität sowie Widerstandskraft.
Die Bühne als Arena für vielstimmige Positionen
Martin wagt mit tänzerischen Mitteln eine Annäherung an das Unsagbare, indem sie die Bühne zu einer Arena für vielstimmige Positionen öffnet. Alles soll gleichzeitig und gleichberechtigt vorkommen dürfen: sowohl feste Überzeugungen als auch das totale Nichtwissen über den Tod. Doch bevor sich der Vorhang senkt, werden sich die Tänzer aneinander reiben und sich zoffen. Es wird Momente der Betroffenheit geben, es wird aber auch zum Lachen sein. Wie immer in den Stücken von Tabea Martin.
Inzwischen ist es früher Abend geworden, Martins Blick wandert westwärts: Die untergehende Sonne ist von einem paradiesisch feurigen Lichtkranz umgeben – ein Bild zum Sterben schön.
Forever
Ein Stück für Kinder und Erwachsene, ab 8 Jahren
Premiere: Do, 21.3., 19.00
Kaserne Basel
Infos und weitere Tourdaten: www.tabeamartin.ch