Hagenwil, Thurgau. Ein Ort mit 124 Einwohnern, den manche beim Durchfahren kaum wahrnehmen. Es gibt eine Käserei, eine Bushaltestelle, eine Kirche. Dann steht am Dorfrand aber dieses Wasserschloss, ein 800-jähriger Riegelbau, in dessen verwinkeltem Gemäuer man sich glatt verlaufen könnte. Seit 2009 werden im Innenhof, der 40 Zuschauer mehr fasst als das Dorf Einwohner hat, zwei Stücke pro Sommer aufgeführt.
Aktuell «Dornröschen» für die Kleinen und «Mord im Orientexpress» für die Erwachsenen. In Letzterem fungiert die ehemalige SRF-Moderatorin Susanne Kunz als Aushängeschild. An der Fotoprobe, an der das Ensemble erstmals das Stück in Kostümen durchspielt, trägt Kunz eine weissblonde Wuschelperücke, blauen Lidschatten und ein braun-beiges bodenlanges Kleid. Sie verkörpert Helen Hubbard, «ein lautes amerikanisches Showgirl, das aus guten Gründen sehr viel trinkt», wie Kunz erklärt.
Hubbard sei nicht nur «eine der schillerndsten Figuren in diesem Zug», sie eröffnet den Agatha-ChristieKlassiker auch mit einer mitreissend-jazzigen Gesangseinlage. Dass Kunz singen kann, bewies sie schon 2022 im TrioEugster-Musical «Oh läck du mir!». «Eine Offenbarung war das», meint Kunz. Sie habe immer schon singen wollen, obwohl sie keine entsprechende Ausbildung hatte. «Ich bin ja von Berufs wegen eine Diplomlose. Keine Matura, keine Zeugnisse. Mein Motto war immer: Hüpf ins Wasser und schwimm!»
Der Entscheid für die Bühne fiel instinktiv
Und da ist es wieder, das wohl breiteste Lachen, das je aus dem Schweizer Fernsehen in die Stuben strahlte. Warum war 2019 eigentlich Schluss? «Nach 11 Jahren als ‹1 gegen 100›-Moderatorin wollte ich es nochmals wissen», sagt sie. Doch beim Fernsehen taten sich keine Karriereperspektiven auf. «Als dann meine Kinder etwas grösser waren – Theater ist ja leider nicht allzu familienfreundlich –, habe ich mich instinktiv für die Bühne entschieden.
Wobei ich bei SRF einen Strich ziehen musste, damit man merkt, dass ich es ernst meine mit dem Theater.» Wenig wahrscheinlich also, dass Kunz wieder zum Fernsehen zurückkehrt. «Vielleicht mache ich das mit 60, wenn dann 60-jährige Frauen am Fernsehen gezeigt werden dürfen.» Und Kabarett? Kunz war von 2009 bis 2015 mit zwei Soloprogrammen über die leicht hysterische Hausfrau Elsbeth auf Tour. «Das war tatsächlich als Trilogie gedacht.
Die Crux ist: Wenn ich auf Solotournee gehe, kann ich keine Ensemblestücke annehmen.» Darum also erst mal «Mord im Orientexpress». Wobei man noch ein leichtes Bedauern spürt, dass Kunz nicht – wie ursprünglich geplant – den Detektiv Hercule Poirot spielen darf. Die Vertreter der Erben von Agatha Christie sagten Nein, obschon in Berlin derzeit Katharina Thalbach den Poirot spielt. «Ja, aber die Thalbach bin ich wirklich nicht», sagt Kunz lachend. Noch nicht, möchte man gern anfügen.
Mord im Orientexpress
Mi, 9.8.–Sa, 9.9. Schlossfestspiele Hagenwil TG
www.schlossfestspiele-hagenwil.ch
Susanne Kunz’ Kulturtipps
Musical
Dällebach Kari
«An die Thunerseespiele werde ich auf jeden Fall fahren: Ein Dällebach Kari mit einem sicher grossartigen Cast an einem spektakulären Ort – was gibt es Besseres?» Bis Sa, 26.8., Seebühne Thun
Film
Barbie (im Kino)
«Der Film von Greta Gerwig scheidet die Geister: Wie feministisch ist diese Barbie (gespielt von Margot Robbie) wirklich? Das nimmt mich wunder!»
Buch
Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war (Kiepenheuer & Witsch 2013)
«Das Buch wurde mir von einer lieben Freundin empfohlen. Biografien interessieren mich, und diese hier sei humorvoll, berührend und menschlich.»