Wenn er Glück gehabt hätte, wäre dieser junge Brite vielleicht ein unbekannter Durchschnittscomedian geblieben. Doch es sollte anders kommen, wie Hauptdarsteller und Drehbuchautor Richard Gadd in seiner autobiografischen Serie «Baby Reindeer» erzählt – und das alles wegen einer Tasse Tee.

Diese spendiert der als Barkeeper jobbende Donny Dunn (Gadd) einer verzweifelt wirkenden Frau namens Martha (Jessica Gunning), die kein Geld hat, aber angeblich Anwältin ist. Es ist eine erste von zahlreichen Ungereimtheiten, die bei Donny alle Alarmglocken hätten schrillen lassen müssen. Doch der Mann ist zu sehr auf sich selbst fixiert, als dass er merken würde, dass er sich mit Martha eine vorbestrafte Stalkerin aufgehalst hat.

Wie Gadd in «Baby Reindeer» seine eigene Leidensgeschichte erzählt, die unter anderem 40 000 Belästigungsmails, Drogen und mehrere Vergewaltigungen beinhaltet, zeugt von schonungsloser Offenheit. Aber auch von dramaturgischem Fingerspitzengefühl, gibt es doch in dieser Serie keine klare Trennlinie zwischen Gut und Böse, dafür umso mehr Grauzonen, Scham und Selbsthass. Da geht es einem als Zuschauer wie dem Hauptdarsteller: Die meiste Zeit schaut man ebenso fasziniert wie fassungslos auf das albtraumhafte Geschehen.

Baby Reindeer
Netflix