Stream: Ein politischer Jesus
Ein Passionsspiel mit einem Jesus-Darsteller aus Kamerun und politisches Engagement: Das bringt Milo Rau in seinem Film «Das neue Evangelium» stimmig zusammen.
Inhalt
Kulturtipp 07/2021
Urs Hangartner
Der Ort Matera in der süditalienischen Region Basilikata ist Schauplatz des Films. Die Landschaft ähnelt jener von Jerusalem. Das ist auch der Grund dafür, dass schon Pier Paolo Pasolini (1964) und Mel Gibson (2004) ihre Bibelfilme hier gedreht haben. Matera ist heute ein Ort, in dessen Nähe sich mehrere Flüchtlingslager befinden.
Kunst verschränkt sich mit der Wirklichkeit
Hierher hat sich der Schweizer Regisseur Milo Rau f...
Der Ort Matera in der süditalienischen Region Basilikata ist Schauplatz des Films. Die Landschaft ähnelt jener von Jerusalem. Das ist auch der Grund dafür, dass schon Pier Paolo Pasolini (1964) und Mel Gibson (2004) ihre Bibelfilme hier gedreht haben. Matera ist heute ein Ort, in dessen Nähe sich mehrere Flüchtlingslager befinden.
Kunst verschränkt sich mit der Wirklichkeit
Hierher hat sich der Schweizer Regisseur Milo Rau für sein aussergewöhnliches Filmprojekt begeben. Er plant die Inszenierung eines Passionsspiels, wozu er vor Ort mit Laien arbeitet. Man sieht, wie er sie castet, wie geprobt wird. Dazu kommt die reale Ebene: die prekäre Lage der Flüchtlinge aus Afrika, ihr Kampf um gerechtere Lebensbedingungen, wider die Ausbeutung, ihr Engagement in der Aktion «Revolte der Würde».
Jesus-Darsteller ist der aus Kamerun stammende Politaktivist Yvan Sagnet. Er spielt an der Seite der vielen Laien und zusammen mit bewährten Filmmenschen: Enrique Irazoqui – er verkörperte bei Pasolini Jesus – ist bei Milo Rau Johannes der Täufer; Maia Morgenstern übernimmt wie bereits bei Mel Gibson die Rolle der Mutter Maria.
Die Ebenen vermischen sich, es ist ein Film im Film, eine Dokumentation und politi-sche Aktionskunst in einem. Das Künstlerisch-Fiktive verschränkt sich mit der Wirklichkeit. Einmal sagt der Gewerkschafter etwas ungehalten in die Kamera: «Ich mache keinen Film, ich organisiere politische Aktionen.» Oder der Bürgermeister von Matera erklärt, er möchte beim Passionsspiel gerne das Kreuz tragen.
Die Botschaft aus der Bibel bringt Milo Rau zusammen mit dem realen politischen Engagement – ein Wagnis, das zu einem gelungenen, brandaktuellen Film führt. «Das neue Evangelium» startet rechtzeitig zu Ostern digital über die Homepage des Films und soll so bald wie möglich in den Kinos anlaufen.
Das neue Evangelium
Regie: Milo Rau
CH/D/I 2020, 107 Minuten
Ab Do, 1.4.: www.dasneueevangelium-film.ch