kulturtipp: Herr Zeier, eben ist das Referendum gegen das neue Radio- und Fernsehgesetz zustande gekommen. Zwei Volksbegehren wollen die Radio- und TV-Gebühren ganz abschaffen. Was macht die SRG falsch?
Niklaus Zeier: Gar nichts. Die SRG arbeitet nach der vom Bundesrat erteilten Konzession. Aber die neuen Technologien führten bei jüngeren Leuten zu einem neuen Medienverhalten. Viele sehen nicht ein, warum sie für Programme bezahlen müssen, die sie nicht konsumieren, da sie sich ihr eigenes Programm aus dem Netz zusammenstellen. Die Rolle der SRG ist für sie nicht mehr so sichtbar wie für mich, der aus der «Generation Beromünster» stammt.
Michelle Inauen: Die SRG hat einen Leistungsauftrag, der Mitte letztes Jahrhundert formuliert wurde. Es ist nun an der Zeit, diesen Auftrag infrage zu stellen. Wir haben eine grosse technologische Entwicklung durchlebt. Der SRG selbst kann man keinen Vorwurf machen. Sie profitiert von einer privilegierten Stellung auf dem Werbemarkt und von den Gebühren. Deshalb haben private Programmanbieter keine Chance in diesem Land.
Schon vor 30 Jahren wurden Unterschriften für eine Volksinitiative gesammelt, um die Gebühren abzuschaffen. Sie ist nicht einmal zustande gekommen. Was hat sich verändert?
Inauen: Wir konsumieren heute Medieninhalte auf allen Kanälen, vom Handy bis zum Tablet. Ich schaue Informationssendungen doch nicht mehr am Fernsehen, das würde niemals in meinen Tagesablauf passen. Warum soll ich dafür Gebühren zahlen?
Zeier: Und wer produziert diese Inhalte fürs Handy? Medienunternehmen wie die SRG, und dazu braucht es Geld.
Inauen: Nein, vieles kommt von spezifischen Quellen, auch häufig aus dem Ausland. Damit hat die SRG gar nichts zu tun. Oder schauen Sie die USA mit ihrem liberalisierten Medienmarkt an! Da hat es Platz für Nischenanbieter wie Pay-TV-Anbieter von Finanznachrichten. Das ist in der Schweiz unmöglich. Zeier: Der US-amerikanische Medienmarkt schneidet in vielen Studien sehr schlecht ab. Denken Sie nur an die Kritik an Fox TV des Unternehmers Rupert Murdoch. Diese Programme informieren zum Beispiel bewusst selektiv. Da bezahle ich lieber Gebühren und weiss, dass ich mich auf eine vielfältige und sachgerechte Information verlassen kann.
Kann die SRG in diesem veränderten Umfeld einen Service public noch erfüllen, der die Gebühren legitimiert?
Zeier: Der Service public ist ein Auftrag. Er ist nicht stehen geblieben, wie Frau Inauen sagt, sondern ist weiterentwickelt worden. Wenn der SRG die Mittel fehlen, kann sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen. Ihre Initiative verlangt, dass sich die SRG ihr Geld auf dem freien Markt beschafft. Das hätte einen sehr hohen Preis: Die Programmvielfalt würde einbrechen. Die grossen TV-Kanäle aus dem nahen Ausland würden sich beim Kampf um die Werbegelder durchsetzen.
Inauen: Ich will keine Zwangsgebühren bezahlen. Jeder Haushalt muss mehr als 400 Franken jährlich aufwenden, damit kommen über eine Milliarde Franken zusammen. Das zwingen Sie den Leuten auf, denn sie müssen für etwas bezahlen, das sie oft gar nicht wollen. Die Medienkonsumenten sollen selber entscheiden, wofür sie bezahlen wollen. Das gehört zur Eigenverantwortung.
Zeier: So ist es nicht, mit der RTVG-Revision sinken die Gebühren auf rund 400 Franken. Zudem müssen 70 Prozent der Unternehmen keine Gebühren bezahlen, weil sie weniger als eine halbe Million Franken Umsatz erzielen. Falls dieses Referendum angenommen würde, ändert sich übrigens gar nichts, die Gebühr bleibt bei 462 Franken 40 Rappen. Anders wäre es erst, wenn eine der Initiativen für die Abschaffung der Gebühren angenommen würde.
Inauen: Ich bin grundsätzlich gegen Zwangsgebühren, egal, ob sie Privaten oder Unternehmen aus der Tasche gezogen werden. Zu einem direkt-demokratischen Land gehört ein freier Medienmarkt. Da dürfte man doch Medienvielfalt erwarten statt des Einheitsbreis der SRG.
Zeier: Das ist ein Trugschluss. Ohne Gebühren gäbe es in einem Land keine Medienvielfalt, dafür sind unser viersprachiges Land und der Markt zu klein.
Inauen: Ökonomische Gegebenheiten sind auch in einem kleinen Markt gültig. Ohne Schatten der SRG haben lokale Sender, wie TeleTicino, TeleZüri, eine Chance, sich zu etablieren.
Zeier: Die kulturelle Vielfalt mit den vier Sprachregionen ist auf die Solidarität in unserem Land und auf den Beitrag aller angewiesen. Eine für unsere Demokratie notwendige Medienversorgung wäre sonst nicht zahlbar. Wenn Sie die Gebühren abschaffen, hätten die Rätoromanen kaum mehr eigene Radio- oder Fernsehprogramme. Sollen denn die Tessiner auf ausreichende Informationsprogramme verzichten müssen? Oder wollen Sie, dass nur noch Programme produziert werden, die sich für den kommerziellen Anbieter finanziell lohnen?
Inauen: Woher wissen Sie das? Wenn sich lokale Sender den Bedürfnissen ihrer Kunden anpassen und innovativ sind, besteht auch eine Chance auf sprachregionale Programme. Störend ist doch, dass die SRG überall ihre Finger drin hat. Im Parlament getraut sich ja kein Politiker, die SRG infrage zu stellen, weil alle darauf angewiesen sind, dass sie in ihren Sendungen einmal zu Wort kommen – das ist ein Filz.
Frau Inauen, wie wollen Sie ohne Gebühren kleine Sprachregionen mit Programmen versorgen?
Inauen: Ohne die gebührenfinanzierte SRG wäre eine faire Konkurrenzsituation im Medienmarkt hergestellt. Aber Herr Zeier will die Gebühren möglichst zersplittern und alle in die Staatsabhängigkeit drängen. Sie wollen mit diesen Gebühren die Leistungskontrolle des Bundes beibehalten, der sogar gebührenfinanzierte Privatsender unterstehen. Trauen Sie den Schweizer Medienkonsumenten doch bitte zu, dass sie selbst entscheiden können, was sie sehen und hören möchten!
Zeier: Dieses angeblich verfilzte Parlament ist demokratisch gewählt. Die SRG steht dort immer wieder in Diskussion. Denken Sie an diejenige SVP-Nationalrätin, die eine Reduktion der Gebühren auf 200 Franken verlangt. Sie steht im Dienst der privaten Goldbach Group, für die sie in Bern lobbyiert.
Die ausländischen Werbefenster wären Profiteure Ihrer Initiative.
Inauen: Das stimmt nicht, diese Kreise unterstützen ja nicht einmal unsere Initiative. Die besagte Nationalrätin profitiert genauso vom jetzigen System.
Herr Zeier, Sie haben zu Beginn dieses Gesprächs gesagt, wie sehr sich die Medienlandschaft verändert hat. Da ist es doch naheliegend, dass sich die Gebührenfrage neu stellt.
Zeier: Die Diskussion ist lanciert. Die SRG stellt sich den Fragen und nimmt die neuen Herausforderungen an. So hat sie ihre Unternehmen zeitgemäss organisiert und verbreitet ihre Programme über das Radio, das Fernsehen und im Internt.
Inauen: Aber dann soll sie doch bitte so gute Programme zusammenstellen, dass die Leute bereit sind, dafür zu bezahlen, wenn sie denn wollen – im freien Wettbewerb mit andern Anbietern.
Zeier: Das heutige, allen zugängliche und beliebte Sportangebot wäre nicht mehr finanzierbar, denken Sie an Fussball, Tennis, Formel 1. Als die SRG die Übertragung der Formel 1 abschaffen wollte, gab es ein Riesengeschrei. Die Fans wollten die SRG-Kommentatoren. Denken Sie an kulturelle Sendungen – ohne Gebühren kaum möglich. Übrigens: Auf der Strecke bleiben würden auch alle Randsportarten und das vielfältige Kulturschaffen. Die Konsequenz: Pay-TV, das eine Zweiklassengesellschaft schaffen würde.
Inauen: Wenn man muss, geht es immer. Wie schon gesagt, bin ich eine Vertreterin des freien Marktes, auch im Medienbereich. Wenn man den Markt öffnet, kommen viele Anbieter und Nachfrager zusammen, das wird die Preise für die ganze Branche senken. Somit werden solche Programme günstiger. Jeder soll für das bezahlen, was er will, das führt zur besserer Qualität und Vielfalt.