Ist der zehnte Hochzeitstag ein Grund zum Feiern? Neles Kollegin ist sich da nicht so sicher und drückt ihrer Freundin nebst der Champagner-Flasche vorsichtshalber einen Flyer fürs Seitensprungportal siitegump.ch in die Hand. Derweil gibt sich Neles Mann Gianni (Nicola Mastroberardino) mit einer Überraschungsparty und einem selbst gebauten Geschenk richtig Mühe. Beides findet Nele (Vera Bommer) allerdings mässig sexy. Sie fragt sich vielmehr, warum im Ehebett seit fast drei Jahren Flaute herrscht.
Die beiden End-Dreissiger finden sich auf der Couch des Paartherapeuten wieder, wo Gianni feststellt: «Ich liebe sie, aber ich begehre sie nicht mehr.» Und Nele gibt postwendend zurück: «Ich will im Bett nicht ‹Die Dargebotene Hand›.»
Knackige Dialoge, rasantes Erzähltempo
Die beiden sind eines von drei Langzeitpaaren im Zürcher Oberland, die sich in der achtteiligen SRF-Serie «Seitentriebe» durch ihren Alltag schlagen. Güzin Kar hat die knackigen Dialoge geschrieben und führt zusammen mit Markus Welter Regie. Die einzelnen Folgen à 25 Minuten sorgen für kurzweilige Unterhaltung und Wiedererkennungseffekte. Besonders erfrischend: Die üblichen Klischees zu männlichem und weiblichem Verhalten lässt Güzin Kar aus. Sie zeichnet ihre Figur Nele als selbstbewusste Frau, die stets die Initiative ergreift oder handwerklich begabt ist. Gianni hingegen hadert mit seiner Männer-Rolle, stolpert eher zufällig in eine Affäre und verspürt im Gegensatz zu Nele einen Kinderwunsch.
Ein traditionelleres Familienmodell leben Monika (Wanda Wylowa) und Heinz (Leonardo Nigro): Das Schweizer Durchschnittspaar hat eine klare Rollenverteilung und definiert sich über seine beiden Kinder. Weil die pubertierenden Söhne im Ablösungsprozess sind, müssen sie sich als Liebespaar wieder neu finden.
Güzin Kar erzählt aus männlicher und weiblicher Perspektive. Zudem werden nebst der eigentlichen Handlung Neles und Giannis Therapiesitzungen eingeblendet. Die beiden reden vom Sofa aus direkt in die Kamera – das Publikum fungiert gewissermassen als Paartherapeut.
Erloschene Leidenschaft und wilde Affären
Dieser Kniff ermöglicht eine reflektierte Ebene, die zwar für einige Erkenntnisse sorgt, manchmal aber etwas steif ausfällt. Aussagen wie «Ich bin von meiner eigenen Durchschnittlichkeit davongelaufen» klingen gestelzt – im Gegensatz zu den authentischen Dialogen im Handlungsteil, der mitunter überspitzt, aber frisch und witzig wirkt.
Die SRF-Serie bildet verschiedene Beziehungsmodelle ab, zeigt aber auch, wo sich die Konflikte ähneln: Der ewige Alltagstrott, erloschene Leidenschaft, verdrängte Sehnsüchte, die Zumutungen des Alterns, das Liebäugeln mit Affären, die vermeintlich frischen Wind versprechen . . .
Wie die Beziehung prickelnd bleiben könnte, zeigt etwa das älteste der drei Pärchen: Clara (Sunnyi Melles) und Anton (Peter Jecklin) pflegen einen liebe- und lustvollen Umgang miteinander. Dass sich Clara gerne mit jüngeren Männern vergnügt, tut ihrer Beziehung keinen Abbruch.
Seitentriebe
Ab Mo, 26.2.
Jew. 2 Folgen am Mo, 20.00
SRF zwei