Sie waren Seelenretter und Entwicklungshelfer: Einst zogen die Angehörigen der 1921 gegründeten Schweizerischen Missionsgesellschaft Bethlehem (SMB) vom schwyzerischen Immensee in die Welt hinaus nach Asien, Lateinamerika und Afrika. Von den mehr als 400 Missionaren leben heute noch 85. Der Altersdurchschnitt beträgt über 80 Jahre; im Monatstakt wird ein Immenseer zu Grabe getragen. «Chef» der Verbliebenen ist der sogenannte Generalobere, der 74-jährige Aargauer Ernst Wildi: «Jetzt kommt die Phase des Loslassens. Wie geht das weiter? Denn sehr lange geht es so nicht mehr weiter», sagt er. Und: «Was chömmer no, was wämmer no?» Die Immenseer vermochten für ihre Gesellschaft keinen Nachwuchs zu rekrutieren. Jetzt ist die SMB heillos überaltert.
Das Missionshaus ist zum Altersrefugium geworden
Der Rückblick zeigt eine imposante Erfolgsbilanz am Beispiel des Schwerpunktlandes Simbabwe (früher Südrhodesien): Mehr als 270 Schulen haben die Immenseer hier gegründet, an einer von ihnen unterrichtete der heutige Diktator Robert Mugabe. Die Immenseer bauten Spitäler, Strassen und 50 Staudämme. Doch das Kapitel Afrika neigt sich seinem Ende zu. Das SMB-Regionalhaus in Driefontein, Simbabwe, ist zum Altersrefugium geworden. Heute leben hier noch 12 von einst 140 Missionaren. Unter ihnen der Walliser Gabriel Imstepf (84). Er ist fast blind, geht aber täglich zu Fuss den weiten Weg ins lokale Spital mit den Aids-Kranken, um mit ihnen zu beten und Trost zu spenden. Imstepf möchte in dem Land die letzte Ruhe finden. Er, der selber 3000 Afrikaner zu Grabe getragen hat, erwartet an seiner eigenen Beerdigung «1000 bis 2000 Personen» auf dem SMB-Buschfriedhof, der von Schweizer Föhren gesäumt ist.
Der gelernte Schlosser John Burkhart (89) aus dem Thurgau geht durch eine Art Ruinenlandschaft. Die Metzgerei, die Bäckerei, die Stallungen, die einst blühende Missionsfarm – alles liegt darnieder, zerstört. Ein Lebenswerk am Ende. Ob er verbittert sei darob? Das nicht, meint Bruder John – «nume truurig». Wieso es so weit kam: «Korruption. Stehlen.»
Als Trost bleiben die Taten
«Jeder Einzelne der porträtierten Immenseer gäbe eigentlich genug Stoff her für einen eigenen Film oder ein dickes Buch», sagt Regisseur Beat Bieri. Er hat 90 Minuten Zeit, um ihre individuellen Schicksale zu beschreiben mit Bildern aus dem heutigen Afrika und vom Heimaturlaub der Porträtierten. Dazu kommt die Historie, illustriert auch mit filmischem Archivmaterial der SMB: Bilder von einer Welt, die unausweichlich dem Untergang geweiht ist. Als Trost bleiben für manchen Immenseer die Taten, all das, was man Gutes bewirken konnte.
Auf eine seltsame Weise schliesst sich der Kreis am Ende des Films, als eine ironische Wende der Geschichte: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ziehen nun in den Stammsitz in Immensee ein, wo es im SMB-Altersheim viel Platz hat. Darunter sind junge Menschen aus Afrika; sie haben den umgekehrten Weg der Missionare gewählt.
Dok: Das Ende der Mission. Ein Stück Schweizer Weltgeschichte
Regie: Beat Bieri
90 Minuten
Do, 22.12., 20.05 SRF 1