Fröhlich spielt der kleine Matías (Sebastián Molinaro) im Kostüm eines Superhelden auf dem Hüpfburg-Abenteuerspielplatz des Kinderhorts. Am Abend bleibt er allein zurück. Seine Mutter holt ihn nicht ab. Den traurigen Grund erfährt die Hortleiterin, die den Jungen nach Hause bringt: Matías’ schwangere Mutter Laura (Julieta Diaz) liegt blutend in der Wohnung. Der Täter: Ehemann Fabián. Er hat nicht zum ersten Mal zugeschlagen. Matías begreift nicht, was geschieht.
Nach dem Untersuch und der Befragung im Spital heisst die weitere Station Frauenhaus, wo sich Matías mit einem Mädchen anfreundet und eine kurze Zeit der Unbeschwertheit erlebt. Aber Laura kann hier nicht bleiben. Den Gang zu den Strafuntersuchungsbehörden schafft sie nicht. So geht die Flucht weiter in der grossen Stadt Buenos Aires – mit gesammeltem Geld von Lauras Arbeitskolleginnen.
Ein billiges Hotel, wo Matías den Handyanruf des Vaters annimmt und ihm den Aufenthaltsort verrät, bietet keine Sicherheit mehr. Nächster Halt: ein Stundenhotel, wo Mutter und Kind kurz verschnaufen können. Gefährlich wird es, als Laura in ihre Wohnung zurückkehrt, um ein paar Sachen und eine Auswahl an Spielzeug zu holen.
Schliesslich führt die Flucht aufs Land, ins Tigre-Delta, wo Lauras Mutter lebt. Wieder ruft Fabián an. Er heuchelt durchs Telefon: «Ich flehe dich an, vergib mir. Ich werde es nie wieder tun.» Wers glaubt. Matías begreift endgültig.
Ähnliche Erfahrung
Die häusliche Gewalt, die Thema des Films ist, sieht man als direkten Akt nie, ebenso wenig wie den Mann, ausser als Telefonstimme und ein einziges Mal in gefährlicher Nähe von hinten. Er ist optisch abwesend, aber sonst umso präsenter.
«Ein häusliches Roadmovie» nennt Regisseur Diego Lerman seinen Film, den er auch als Thriller versteht. «Ich versuchte, mit vielen kleinen Elementen die Spuren von Gewalt zu beschreiben, mehr als die Gewalt selber. Gleichzeitig beschreibt er die Auflösung einer Familie.» Ganz klar: «Der Film erzählt von der Gewalt, aber er zeigt sie nicht.»
Eine Inspiration für den Film bildete eine unmittelbare Erfahrung vor Lermans Produktionsbüro: Eine Frau wurde von ihrem Ex-Mann angeschossen. Diego Lerman begann zu recherchieren und verfasste zusammen mit María Meira das Drehbuch zu «Refugiado».
Lerman war zudem als Kind selber auf der Flucht. Der kleine Diego und seine Eltern, nach denen die Militärdiktatur fahndete, mussten ihr Haus fluchtartig verlassen. Der Regisseur machte als Kind eine ähnliche Erfahrung wie die Figur des Matías im Film. Und weil sich Lerman an den Fluchtort im Tigre-Delta erinnerte, drehte er für den Film die Schlussszenen ebenfalls in dieser Region.
Refugiado
Regie: Diego Lerman
Ab Do, 12.3., im Kino