Spielfilm: So absurd wie das Leben
Zwischen Ausbeutung und bitterböser Satire: «Do Not Expect Too Much from the End of the World» ist ein irrer Filmtrip aus Rumänien.
Inhalt
Kulturtipp 05/2024
Hans Jürg Zinsli
Sie kaut Kaugummi, fährt endlos durch ein vom Verkehr verstopftes Bukarest, ist chronisch übermüdet – und dann soll ausgerechnet diese unfallgefährdete junge Frau ein Unfallopfer für ein Firmenvideo finden, um für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz zu werben? Nein, Angela (Ilinca Manolache) ist nicht zu beneiden. Kein Wunder, will sie unterwegs mal Dampf ablassen – vorzugsweise als Bobita. Das ist ihr Alter Ego, ein bärtiger Macho-Schwurbler, der da...
Sie kaut Kaugummi, fährt endlos durch ein vom Verkehr verstopftes Bukarest, ist chronisch übermüdet – und dann soll ausgerechnet diese unfallgefährdete junge Frau ein Unfallopfer für ein Firmenvideo finden, um für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz zu werben? Nein, Angela (Ilinca Manolache) ist nicht zu beneiden. Kein Wunder, will sie unterwegs mal Dampf ablassen – vorzugsweise als Bobita. Das ist ihr Alter Ego, ein bärtiger Macho-Schwurbler, der dank miesem optischem Filter und obszöner Sprache auf Social Media Kultstatus geniesst.
Ja, «Do Not Expect Too Much from the End of the World» ist ein wilder Ritt und nicht nur als Titel eine Zumutung im besten Sinne. Doch wer sonst würde es wagen, sich derart unterhaltsam mit neoliberalen Auswüchsen auseinanderzusetzen. Regisseur Radu Jude begann einst als Assistent des grossen Costa-Gavras und gewann zuletzt mit «Bad Luck Banging or Loony Porn» (2021) den Hauptpreis der Berlinale. Mit Provokation und Sarkasmus steht er auf Du und Du. Was er ebenfalls beherrscht, ist das Jonglieren mit der Filmgeschichte.
Und die Marketingchefin heisst Goethe
Zum Beispiel, wenn er in «Do Not Expect …» immer wieder Ausschnitte aus einem 80erJahre-Film zeigt. Es geht da um eine Taxifahrerin, die sich in einer Männerwelt behauptet und ebenfalls Angela heisst. Wobei diese frühere Film-Angela irgendwann auf die Real-Angela abfärbt und es schliesslich zu einem Treffen der beiden Frauen kommt.
Blöd nur: Ausgerechnet die Unfallgeschichte von Angelas Sohn, der als «Opfer» in einer epischen Schlusssequenz vor der Kamera erzählen soll, wird vom auftraggebenden Unternehmen aus Österreich so lang bemängelt, bis nichts Zählbares übrig bleibt. Verantwortlich für dieses PR-Desaster ist eine Marketingchefin mit Namen Goethe (Nina Hoss), die von ihrem Ur-Ur-Urahnen bloss «Faust» kennt. Aber das reicht in diesem Fall völlig.
Do Not Expect Too Much from the End of the World
Regie: Radu Jude
Rumänien/Luxemburg/F/Kroatien 2023, 163 Minuten
Ab Do, 29.2., im Kino