Spielfilm: Schräge Vögel
Die Britin Andrea Arnold verbindet in ihrem Film «Bird» soziale Misere mit magischem Realismus. Ein Erlebnis, das durchschüttelt
Inhalt
Kulturtipp 02/2025
Hans Jürg Zinsli
Der Blick geht durch Gitter nach oben, dorthin, wo Möwen und Krähen ihre Kreise ziehen. Die 12-jährige Bailey (Nykiya Adams) filmt die Vögel mit ihrem Mobiltelefon – eine der wenigen Freuden in einer an Tristesse kaum zu unterbietenden Realität.
Im Film von Andrea Arnold haust Bailey mit ihrem älteren Halbbruder Hunter (Jason Buda) und dem selbst noch jungenhaften Vater Bug (Barry Keoghan) in einem besetzten Wohnblock in der Nähe von Lon...
Der Blick geht durch Gitter nach oben, dorthin, wo Möwen und Krähen ihre Kreise ziehen. Die 12-jährige Bailey (Nykiya Adams) filmt die Vögel mit ihrem Mobiltelefon – eine der wenigen Freuden in einer an Tristesse kaum zu unterbietenden Realität.
Im Film von Andrea Arnold haust Bailey mit ihrem älteren Halbbruder Hunter (Jason Buda) und dem selbst noch jungenhaften Vater Bug (Barry Keoghan) in einem besetzten Wohnblock in der Nähe von London. Die Stimmung ist gereizt, denn Bug will seine neue Freundin heiraten, aber die Tochter mag sich nicht in ein billiges Hochzeitskostüm stecken lassen. Stattdessen soll Hunter ihre krausen Locken abschneiden.
«Bird» erscheint wie eine potenzierte Ken-Loach-Loserstory, Schüttelkamera inklusive. Niemand hat in diesem Film einen Job, niemand geht zur Schule. Stattdessen will Vater Bug mit halluzinogenem Krötenschleim Geld für seine Hochzeit auftreiben, während Bailey auf ihren Streifzügen durch Weiden und Moore auf einen berockten Rumtreiber namens Bird (Franz Rogowski) trifft. Der sucht angeblich seinen Vater – und Bailey hat endlich eine Aufgabe: Der Ausflug an den Strand mitsamt Baileys Stiefgeschwistern ist herzerwärmend.
Und ja, mit Bailey und Bird haben sich die Richtigen gefunden – beide haben leicht Androgynes an sich, Letzterer zudem etwas Imaginäres. Das wird erst spät im Film deutlich, als Bird den gewalttätigen Freund von Baileys Mutter im Federkostüm attackiert. Doch nicht nur da schleicht sich ein magischer Realismus in die Geschichte.
Einmal, als Hunter seiner schwangeren Teenagerfreundin eine Nachricht überbringen will, ist es ausgerechnet ein Vogel, der den Zettel auf ihren Balkon fallen lässt. Manchmal braucht man eben etwas hinzufantasierte Hilfe, wenn die Realität nicht macht, was man will.
Bird
Regie: Andrea Arnold
UK/USA/F/D 2024, 119 Minuten
Ab Do, 9.1., im Kino