Es beginnt mit sphärischer Musik, die Leinwand bleibt schwarz, fast so, als müsse man sich als Zuschauer auf das kommende Grauen einstellen. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, blicken wir auf das Anwesen des AuschwitzLagerkommandanten Rudolf Höss (Christian Friedel) und dessen Gattin Hedwig (Sandra Hüller), die unmittelbar hinter der Mauer des Konzentrationslagers mit ihren Kindern und Bediensteten residieren. Manchmal hört man Schreie und Schüsse von drüben, manchmal Brüllen und Hundegebell, der Schornstein raucht.
Es ist eine gespenstische Szenerie, die umso verstörender wirkt, als Regisseur Jonathan Glazer in «The Zone of Interest» bis auf wenige Ausnahmen die Täterperspektive beibehält und auf emotionale Distanz setzt. Das bestätigt Hauptdarstellerin Sandra Hüller im Gespräch: «Glazer wollte jegliche Form von Heldentum oder Romantisierung vermeiden. Auf konventionelle Art zu drehen, stiess ihn richtiggehend ab.» Entsprechend sind die meisten Filmfiguren mit Verdrängung und Negierung des eigenen Tuns beschäftigt.
Der Regisseur versteckte Kameras am Set
Um diese Atmosphäre zu erzeugen, versteckte der Regisseur überall im Haus ferngesteuerte Kameras, sodass die Schauspieler nie wussten, ob und wie sie gefilmt würden. «Das war einerseits ein Luxus, weil wir uns ganz auf unser Spiel konzentrieren konnten», sagt Hüller. «Teilweise drehten wir bis zu 45 Minuten am Stück. Den kleinen Spannungsabfall, wenn sonst am Set umgebaut werden muss, gab es hier nicht.»
Andererseits habe die Dauerüberwachung durchaus etwas Klaustrophobisches gehabt. «Was auch hilfreich war: Dieses Gefühl, dass immer alles gesehen wird und man sich nirgends verstecken kann, erzeugte eine anstrengende, aber fruchtbare Dauerspannung.» Das alles kann man als Zuschauer spüren, auch wenn es schwer zu ertragen ist.
Zum Beispiel, wenn sich die von Hüller gespielte Kommandantengattin Hedwig Höss als «Königin von Auschwitz» feiern lässt, bis es sogar ihrer Mutter, die zu Besuch weilt, zu viel wird. Oder wenn beim unbeschwerten Familienausflug am nahen Fluss plötzlich Knochenpartikel angeschwemmt werden. Oder wenn Hedwig den Bediensteten gegenüber en passant Todesdrohungen ausstösst, aber erst dann wirklich wütend wird, als ihr Mann nach Berlin versetzt werden soll und sie und die Kinder ihr kleines «Paradies» zu verlieren drohen.
Jonathan Glazer hat einen Nerv getroffen
Man wird da als Zuschauer getestet, denn im Grunde sollte man sich jegliche Empathie verkneifen, also genau das abschnüren, was Kino eigentlich ausmacht. Man möchte mitfiebern, darf aber nicht. So gesehen hat Jonathan Glazer einen Nerv getroffen.
Am deutlichsten vielleicht in jener Szene, in der im Hause Höss, einem Originalschauplatz, ungeniert über die verbesserte Brennleistung bezüglich der «Ladung» diskutiert wird. Es ist, wie sich herausstellt, ein Verkaufsgespräch unter Vergasungsexperten.
The Zone of Interest
Regie: Jonathan Glazer
USA/GB/Polen 2023, 105 Minuten
Ab Do, 29.2., im Kino