Es fängt nicht gut an. Kaum in der WM-Wettkampfhalle im georgischen Tiflis angekom- men, zeigt sich, dass die iranische Judoka Leila Hosseini (Arienne Mandi) zu viel Wettkampfgewicht auf die Waage bringt. 20 Minuten gibt man ihr, um die 300 Gramm rauszuschwitzen. Doch es werden grössere Probleme auf Leila zukommen.
Sport, Politik und Gefühle
Zwar ist die Athletin in Topform und wird von ihrer Teamtrainerin Maryam (Zar Amir Ebrahimi) in den ersten Runden fast zum Sieg gebrüllt. Doch dann stellt sich heraus, dass Leila auf eine Israelin treffen könnte. Ein No-Go für das iranische Regime. Eine Niederlage wäre inakzeptabel.
Darum üben in der Folge diverse Funktionäre und Handlanger immer mehr Druck auf die Sportlerin und ihre Trainerin aus, damit Leila eine Verletzung vortäuscht und aufgibt.
«Tatami» ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Es ist der erste Film, bei dem sich eine gebürtige Iranerin (Zar Amir Ebrahimi, «Holy Spider») und ein Israeli (Guy Nattiv, «Golda») die Regie teilen. Vor allem aber ist es ein Drama, das Sport, Politik und die turbulenten Gefühlslagen der Titelheldin mühelos zusammenbringt.
Eindrücklicher Spiegel einer Innenwelt
Die zentrale Frage ist: Soll Leila an ihrem Traum vom WM-Gold festhalten, auch wenn sie weiss, dass sie dadurch ihr gesamtes familiäres und sportliches Umfeld in Gefahr bringt?
Diese Belastung wird im Film mit allen Mitteln ausgereizt: In Schwarz-Weiss-Bildern im nahezu quadratischen Format scheint jeder Gang der Heldin durch die labyrinthartige Sporthalle zum Spiessrutenlauf zu werden, während sie beim Wettkampf auf den Matten unablässig attackiert und gewürgt wird.
Viel deutlicher kann man ihre Innenwelt nicht spiegeln. Und auch wenn man als Zuschauer bald ahnt, worauf das Ganze hinausläuft, bleibt man doch immer dicht an dieser Heldin, die sich einmal auf der Toilette den Kopf am Spiegel blutig schlägt. So sieht Ausweglosigkeit aus.
Tatami
Regie: Guy Nattiv, Zar Amir Ebrahimi,
Georgien/USA 2023
105 Minuten, ab Do, 1.8., im Kino