Ingrid (Julianne Moore) ist nicht die erste Wahl von Martha (Tilda Swinton), und man kann das verstehen. Schliesslich haben sich die Bestsellerautorin und die einstige Kriegsjournalistin auseinandergelebt. Als Ingrid, besessen von ihrer eigenen Todesfurcht, Martha im Spital besucht, willigt sie jedoch ein, die krebskranke Frau in ihren letzten Tagen zu begleiten, bevor diese freiwillig aus dem Leben scheidet.
«The Room Next Door», eine Adaption des Romans «What Are You Going Through» von Sigrid Nunez, scheint wie gemacht für das englischsprachige Debüt des 75-jährigen Pedro Almodóvar. Es geht um Leben und Tod, um Freundschaft, Krieg und Krankheit. Da sollte der Maestro des Melodrams aus dem Vollen schöpfen können, möchte man meinen.
Zunächst gelingt ihm dies, wenn die todkranke Martha einen Ort aussucht, den sie nicht kennt. So fahren die beiden New Yorkerinnen nach Woodstock, um ein Haus zu beziehen, in dem ein Edward-Hopper-Gemälde hängt: Auf «People in the Sun» sieht man Figuren auf Liegesesseln auf der Terrasse fläzen, und exakt diese Szene werden Ingrid und Martha in «The Room Next Door» einige Male nachstellen.
Die Figuren wirken wie Hopper-Kopien
Doch bei den Nebenfiguren gleitet der Film ins Ungelenke ab. Es geht um Marthas vernachlässigte Tochter, um deren einst vom Vietnamkrieg traumatisiert zurückgekehrten Vater und um Ingrids und Marthas Ex-Lover Damian (John Turturro), der inzwischen die Ausweglosigkeit aus der Klimakrise predigt. Als Analogie auf Marthas sicheres Ende wirkt das etwas platt.
Die Farben sind satt wie immer bei Almodóvar, doch die Verzweiflung dahinter wird kaum greifbar. Die Figuren wirken wie Hopper-Kopien, die sich gemeinsam an der James-Joyce-Verfilmung «The Dead» ergötzen. Das hat Almodóvar schon eleganter umgesetzt. Das Filmfestival von Venedig verlieh dem Drama dennoch den Goldenen Löwen für den besten Film.
The Room Next Door
Regie: Pedro Almodóvar
ESP/USA 2024
Ab Do, 12.12., im Kino