Ob man dem Gerücht glauben soll? Zwei mormonische Missionarinnen sitzen auf einer Bank und diskutieren, ob XXL-Kondome gar nicht grösser seien als normale Kondome. Das anfängliche Geplauder in «Heretic» erinnert an einschlägige Tarantino-Szenen. Dem Regieduo Scott Beck und Bryan Woods schwebt mit seiner Horrormär indes etwas anderes vor: Es geht um Glaube versus Unglaube.
Auf ihrer missionarischen Ochsentour haben Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East) zunächst wenig Erfolg. Die Leute im Dorf interessieren sich nicht, stattdessen werden sie von Teenies gepiesackt.
So kommt es ihnen zupass, dass der biedere, aber neugierig verschrobene Mr. Reed (Hugh Grant) sie in sein abgelegenes Haus bittet. Er versichert, dass seine Frau in der Küche gerade einen Blaubeerkuchen backe. Die jungen Frauen treten ein – und erleben ihr blaues Wunder, denn der Kuchengeruch entstammt bloss einer Duftkerze.
Ein diabolisches Vergnügen
Dass die Regisseure Beck und Woods ihr Horror-Handwerk verstehen, steht ausser Frage. Anders als im Film «A Quiet Place», an dessen Drehbuch sie mitschrieben, legen sie in «Heretic» grossen Wert auf Dialoge. Angefangen bei Mr. Reed, der den jungen Frauen allerlei Weisheiten auftischt, zum Beispiel, wie er selbst lange nach dem richtigen Glauben geforscht habe. Allerdings schleichen sich oft Ungereimtheiten in seine Ausführungen ein. Versehentlich oder als Test?
Eine Lieblingstheorie illustriert Reed anhand der Popgeschichte: Wie konnte aus «The Air That I Breathe» von The Hollies der Song «Creep» von Radiohead und schliesslich «Get Free» von Lana Del Rey entstehen? Da sind die beiden Missionarinnen allerdings längst Gefangene, die als Ausgang nur noch zwischen zwei Türen wählen können: «Glaube» und «Unglaube».
«Heretic» ist einer dieser Horrorfilme, in denen es mehr ums diabolisches Vergnügen als um Effekte geht. Der Grund dafür heisst Hugh Grant. Einst als Frauenschwarm aus Filmen wie «Four Weddings and a Funeral» oder «Notting Hill» bekannt, hat der 64-jährige britische Star mittlerweile ein beachtliches Alterswerk aufgegleist.
Vom Massenmörder bis zu Oompa Loompas
In der TV-Sendung «Good Morning America» fasste Grant das kürzlich so zusammen: «Ich spiele jetzt Freaks, Massenmörder, Sektenanführer und Oompa Loompas.» Mit Letzerem verwies er auf seine Rolle als böser Mini-Wichtel in «Wonka» (2023), an der Grant so grossen Gefallen fand, dass er an der letzten Verleihung für den British Academy Film Award ausschliesslich in «Oompa Loompa»-Versen sprach.
In «Heretic» kann man nun dem einstigen Romcom-Star zusehen, wie er sich diebisch über seine Fanatikerrolle freut. Natürlich hat Hugh Grant noch immer seine Grimassen und linkischen Ticks drauf. Aber jetzt ist das nicht mehr Ausdruck der Überforderung wie in seinem Frühwerk, sondern ein Zeichen von berechnender Selbstüberschätzung. Und genau da beginnt das Grauen.
Heretic
Regie: Scott Beck, Bryan Woods
USA 2024, 110 Minuten
Ab Do, 26.12., im Kino