Wenn man durchzählt, kommt man in diesem Film vielleicht auf zwei oder drei Momente, die so etwas wie menschliche Regungen beinhalten. Zu Beginn ist es der amerikanische Präsident (Nick Offerman), der unbeholfen seine Durchhalterede übt und sich immer wieder verhaspelt. Dies, nachdem er sich verbotenerweise zum dritten Mal hat wählen lassen, zentrale Regierungsorgane ausser Kraft setzte und die eigene Bevölkerung beschiessen liess.
Den US-Präsidenten aus dem Amt entfernen
Oder dann gibt es jene Szene, als die abgebrühte Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) in einem Dorf, das vom US-amerikanischen Bürgerkrieg scheinbar unbehelligt geblieben ist, einen Shop aufsucht und ein Kleid anprobiert, worüber sie selbst am meisten staunt. In «Civil War» sind das kurze Verschnaufpausen, denn die USA ist in diesem Film ein zerrissenes Land.
Kalifornien und Texas – also ausgerechnet die Hochburgen von Demokraten und Republikanern – haben sich zusammengeschlossen, um den diktatorischen Präsidenten gewaltsam des Amtes zu entheben. Die Beweggründe für dieses Szenario sind offensichtlich: Es war der Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol im Januar 2021, der Regisseur Alex Garland («Ex Machina») zu dieser beängstigend realen Filmdystopie inspiriert hat, wobei der immer schon der Science-Fiction zugeneigte britische Regisseur erschütternd deutlich wird.
Der Blutzoll ist hoch, die menschlichen Abgründe sind tief, die Fronten nicht immer klar erkennbar. Der Roadtrip beginnt, als die Fotografin Lee das baldige Ende des unrechtmässigen Präsidenten erahnt und deshalb von New York durchs Kriegsgebiet nach Washington D.C. fahren will – zu einem womöglich letzten Interview. Sie tut dies in Begleitung ihres Kollegen Joel (Wagner Moura), ihres Mentors Sammy (Stephen McKinley Henderson) und der ambitionierten Jungfotografin Jessie (Cailee Spaeny), die sich irgendwie in diese Truppe reingemogelt hat.
Inszeniert in gnadenlosem Vérité-Stil
Was folgt, ist eine mit Fallen und Hinterhalten gespickte Odyssee, die immer extremere Formen annimmt. Wo das Quartett auch auftaucht, überall lauern unmenschliche Abgründe – insbesondere dann, wenn ein zynischer Rassist im Tarnanzug (Jesse Plemons) Lee & Co. vor einem grausigen Massengrab mit Fragen löchert.
«Civil War» ist vielleicht die grösste Art von filmgewordener Alarmglocke, die man sich in den USA vor dem Hintergrund der kommenden Präsidentschaftswahlen denken kann. Allerdings ist der gnadenlose Vérité-Stil mitunter schwer zu ertragen, und die Figurenzeichnung bleibt manchmal zu rudimentär, als dass man mit dem Journalistenquartett tatsächlich mitfiebern mag.
Zudem wird nie richtig klar, ob diese Gruppe so etwas wie die letzte Hoffnung auf Pressefreiheit und Demokratie verkörpern soll, oder ob wir bloss abgestumpften Adrenalinjunkies auf der Jagd nach dem ultimativen Bild folgen. So gesehen bleibt dieser Albtraumtrip zwischen Leben und Tod etwas vage in seiner Aussage.
Civil War
Regie: Alex Garland
USA/UK 2024, 109 Minuten
Ab Do, 18.4., im Kino