Ungläubig schaut er drein, dieser Paul Matthews (Nicolas Cage), seines Zeichens Professor für Evolutionsbiologie, als er praktisch über Nacht einen vollen Hörsaal vor sich hat. Bis anhin hatte sich kein Schwein für den farblosen Durchschnittslehrer und seine Theorien interessiert. Aber seitdem er ohne ersichtlichen Grund in den Träumen von Tausenden Menschen rumspukt – wo er vorerst nichts tut, ausser teilnahmslos rumzustehen –, kommt dem Mann maximale Aufmerksamkeit zu.
Nicolas Cage spielt seine Rolle hervorragend
Die Prämisse des englischsprachigen Debüts des Norwegers Kristoffer Borgli ist ebenso simpel wie bestechend: Man nehme einen unbescholtenen 08/15-Familienvater und katapultiere ihn via Social-Media-Hype in ungeahnte Höhen, bevor man ihn in der Cancel-Culture-Hölle schmoren lässt. Dabei hat der Mann niemandem was getan.
Bloss in den Träumen, welche die Menschen von ihm haben, wird er zu einem immer gewalttätigeren Akteur, während in der Realität eine PR-Agentur Pauls «Gabe» mit abstrusen Marketingideen kommerzialisieren will. Eine Mitarbeiterin der Agentur (Dylan Gelula) möchte gar geträumte erotische Szenen mit Paul real nachstellen. Ein besseres Gleichnis auf das zeitgenössische Instant-Berühmtsein inklusive gesellschaftlichem Rumoren aus dem Unterbauch kann man zurzeit nicht finden.
Eine bessere Komödie übrigens auch nicht. Und Nicolas Cage spielt diesen Lehrer so, wie man ihn noch nie gesehen hat: nörgelnd und dauerverblüfft, mit unvorteilhafter Halbglatze und unter unzähligen Kleiderschichten wie eine Schildkröte verborgen.
Vom Herausstechen aus der Masse
Apropos Tiere: In seinen Vorträgen referiert Paul – mit Beispielen aus der Savanne – am liebsten über die Frage, wann Anpassung und wann ein Herausstechen aus der Masse von Vorteil sei. Was er da noch nicht weiss: Genau das erfährt er in «Dream Scenario» am eigenen Leib.
Dream Scenario
Regie: Kristoffer Borgli
USA 2023, 100 Minuten
Ab Do, 8.2., im Kino
Die Rückkehr von Nicolas Cage
Wann genau er die Ausfahrt zur lebenden Legende verpasst hat, ist im Rückblick schwer zu sagen. Dabei hatte Nicolas Cage in den 80er- und 90er-Jahren Action, Drama und Herzschmerz gleichermassen im Blut. Er humpelte als einbandagierter Kriegsheimkehrer durch «Birdy» (1984), gab den streitbaren Lover in «Moonstruck» (1987) und «Wild at Heart» (1990) und verkörperte den gutherzigen Knastbruder in «Con Air» (1997).
Für seinen lebensmüden Drehbuchautor in «Leaving Las Vegas» (1995) gewann er einen Oscar, und wer sonst hätte den ukrainischstämmigen Waffenhändler in «Lord of War» (2005) so nonchalant spielen können? Danach drehte Cage alles Mögliche, es resultierte jedoch jahrelang nichts Zählbares mehr.
Erst mit den schrägen Independent-Filmen «Pig» (2021) und «Massive Talent» (2022) gelang ihm ein Comeback. In letzterem spielt er sich selbst – und zwar gleich doppelt. Einmal als abgehalfterten Egozentriker und einmal als jüngeres, forsches Alter Ego. Eine skurril-grandiose Achterbahnfahrt, und das Beste: Mit Nicolas Cage ist jetzt wieder zu rechnen.
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